Baba schwarze Katz

«Ich sei eine Dorfschamanin»

Schwarze Katz zum Jahreswechsel. Aber ist sie wirklich schwarz? «Je nach Licht und Jahreszeit», sagen die, die sie kennen. «Schwarz oder dunkelbraun, im Winter mit grauem Kragen.» – Baba kauert im Schnee unter den Rosenbüschen und schnurrt so vor sich hin.

Katrin Bärtschi
Baba
Neugierig und nachdenklich. Bilder: zVg

Da sassen kürzlich Viere beisammen, vier Weiber aus meiner Gegend. Ein Tisch war schön gedeckt und beladen mit Köstlichkeiten. Sie palaverten und merkten nicht, dass ich draussen unter dem spaltbreit gekippten Fenster auf der Lauer lag und staunend lauschte. Die redeten über mich.

«Baba ist eine ganz besondere Katz», sagte die aus der Parterrewohnung. «Sie ist so grenzenlos. Überall zuhause, auch bei mir. Sie kommt rein, frisst und schläft in meiner Wohnung. Obwohl sie haargenau weiss, dass sie das nicht soll! Wenn ich sie bemerke und rufe, dann geht sie. Aber sie probiert es wieder.» An mir sei spannend, dass ich «so einen Blick» hätte und die Leute anschaue, als wäre nichts passiert. Sie wolle nicht verallgemeinern, fuhr die vom Parterre fort, aber sie könne definitiv sagen: «Baba ist völlig anders als andere Katzen. » Ich sei angstlos, auch vor Hunden würde ich mich nicht fürchten und es gehe «echt lange», bis ich meine Haare stelle. Zuerst würde ich mal schauen. Und kämpfen habe sie mich nie gesehen, erst recht nicht mit ihrem Kater Preuss. «Sie hat ein Wesen, das allen gut gesinnt ist.» Soso. Wenn mir danach sei, würde ich die Leute auf der Strasse «anspringen», um mir Streicheleinheiten zu holen. Stimmt schon, ich drücke mich an die Vorbeispazierenden und miaue, so dass alle sagen: «Ach, du Schöne, wo gehörst du hin?»

Anfänglich, so erfahre ich weiter, habe meine «Besitzerin» (als könnte jemand mich besitzen!) gemeint, ich sei ein Männchen. Ich wurde Baba getauft, was in fremder Sprache «Vater » oder «Freund» bedeute. – Es habe dann aber einen «Genderwechsel » gegeben und nicht lange darauf auch vier Junge. Ich sei, schloss die Parterrebewohnerin, von so schönem Dunkelbraun, mit so schönem Wesen – und manchmal ein richtiges Ärgernis.

Auf diese Ausführungen folgte eine kleine Pause, und ich dachte schon, das sei’s gewesen. Da ergriff die aus dem kleinen Häuschen das Wort. «Es war vor drei Jahren, ich lag im Bett, konnte weder stehen noch gehen oder laufen. Impffolgen. Es war Sommer. Da gumpte etwas zum Fenster rein, ein ziemlich hoher Sprung war dafür nötig, und legte sich zu mir. Ein paar Stunden, jeden Tag. Auch später draussen auf dem Liegestuhl, kam sie wieder nah zu mir. Kaum aber ging es mir besser, ein paar Wochen später, kam Baba nur noch einmal zum Hallo sagen.

Ich wusste nicht, wem sie gehörte (tz!). Manchmal sehe ich sie jetzt in der Nacht auf der Strasse sitzen und miauen. Was mich faszinierte: Wie weiss eine Katze, dass jemand flachliegt? Ich war überwältigt. – Das ist ihre Lebensaufgabe. Sie ist eine Dorfschamanin.» Eine aus der Runde fragte, was das sei. «Eine, die nach der alten, naturverbundenen Kunst heilt.» Soso.

Und nun meldete sich die, die als meine Besitzerin gilt: «Ich will keine Katz im Bett, das weiss Baba genau und akzeptiert es. Aber wenn ich krank bin, kommt sie – nur bis ich wieder gesund bin.» Oh ja, ich sei eine Jägerin und hätte ein grosses Revier, bis ins Wylergut und an die Aare. Seufzend erzählte sie, wie viele Vögel und Mäuse ich schon nach Hause brachte. Sie habe immer eine schwarze Katz gewollt und ich würde von russischen Waldkatzen abstammen. Als sie merkte, dass ich ein Weibchen bin und kein Mann, liess sie mir meinen Namen. In Gedanken an Baba Jaga, eine Hexe aus dem Osten. Seit je hätten viele Vorübergehende festgestellt: «Diese Katze ist sehr menschenfreundlich, spricht viel, ist eine Plaudertasche.» Und immer wieder Geschichten über meine Krankenbesuche. So bin ich eben. Ich merke, wenn ich jemandem guttue. Und fertig. Meine Mitbewohnerin denkt, ich sei eine Katze für alle. «So gesellig.» Und weil ich mich hin und wieder ausquartiere. Mal zu einem jungen Mann oben an der Strasse. Es passte mir dort. Als meine «Besitzerin » kam, um mich zu holen, kratzte ich sie kurz, damit sie sich nicht einbildet, alles mit mir machen zu können. Mehrmals, wenn ich abgehauen war und sie kurz davor gewesen sei, zu «flyern», sei ich plötzlich wieder aufgetaucht. Wie und warum ist mein Geheimnis. Und dann kam noch die Geschichte von der Glotzmaus. Da hatte ich mal so ein fettes Ding gefangen, die sass breit vor mir, glotzte mich an und ich glotzte zurück, bereit für den letzten Tanz. Und dann entwischte sie mir! Sie wohnte eine lange Zeit hinter den Möbeln, ging in keine Falle, bis eines Tages …

Jetzt sprach die Weisse. Sie wohnte eine Weile in unserem Haus, weil ihres umgebaut wurde. Dann zügelte sie wieder jurastrassabwärts. Sie erinnerte sich, dass «natürlich» nicht nur ihr Kater Filou das Katzentreppchen erlickt habe, das zu ihrem Badezimmerfensterchen führte. «Eines Morgens schlief Baba friedlich auf meinem Stubentisch und rührte sich nicht!» Meine Mitbewohnerin habe ihr geraten, mich mit Wasserspritzern zu vertreiben. Ha! «Und dann sah ich Baba mit dem Wasser spielen, das vom Dachkännel troff. Da wusste ich, mit Wasser brauchst du der nicht zu kommen.»

Zuletzt übernahm die Pianistin. Sie habe eine «nachhaltige Beziehung» zu mir. Sie kenne mich schon lange, weil ich ihr jeweils, wenn sie am Abend müd von der Arbeit gekommen sei, auf der Strasse entgegenging. «Baba kam direkt vom Mäuerchen her zu mir, ich konnte sie streicheln und es ging mir besser. Wenn ich judihui unterwegs war, kam sie nicht.» Sie habe jeweils mit mir geredet, auf dem Weg zum Briefkasten. In der Tat! «Ich nahm die Post raus, sie höckelte und schaute. Ich erzählte ihr jeweils: ‹Jetzt ist wieder die Steuerrechnung gekommen.› Oder ein Liebesbrief. Und dann ging ich rein und sagte: ‹Bleib draussen.› Wir sprachen noch durchs offene Fenster und nach einem Cherli ging sie weg.» Die Pianistin musste umziehen. Wider Willen. Jetzt berichtete sie, dass ich sie auch am neuen Ort, der ganz in der Nähe liegt, besucht hätte. «Sie kam drei Monate lang, als es tough war nach dem Umzug. Aber als es hier gut geworden war, kam sie nicht mehr.» So eine bin ich eben. Dann sagte die Pianistin noch, und ich traute meinen Ohren nicht: «Sie ist für mich gar keine Katz, mit den langen Haaren, sie kommt mir vor wie ein Vogel oder ein Geist, fein, ein winziges Köpflein und die grossen Augen. Lange Haare fast wie Flügel. Hennefiin!»

Dann kam noch das blöde Thema zur Sprache, dass ich hin und wieder meine Geschäfte im Haus erledige statt draussen. Meine Mitbewohnerin habe schon alles versucht, mir das auszutreiben und sei nun ratlos. So genau kann ich auch nicht sagen, warum ich das mache. Es drängt mich eben zu markieren. Ich mag das eigentlich selber nicht, vor allem, weil die Stimmung im Haus danach immer mies ist. Ich will mich nun wirklich zusammenreissen und diesem Drang, Zeichen zu setzen, nur noch draussen nachgeben. Denn ich lebe gern da, wo ich jetzt bin, und möchte nicht ausziehen müssen. Ich pack’s an! Ein neues Jahr, eine neue Chance! Was für die Menschen gilt, soll erst recht für uns Katzen gelten!

Ihrerseits belauscht und aufgezeichnet von Katrin Bärtschi

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