Neue Bühne für Simon Apothéloz

Ein goldener Abend im «Olympia»

Seit Dezember ist das frühere «Tramway» am Breitschplatz renoviert unter dem Namen «Olympia» wieder offen. Ein Unterschied wie Nacht und Tag, mit einem wahren Könner am Herd.

Jean-Claude Galli
Restaurant Olympia, Breitsch Bern
Der Barbereich. (Bilder: jc)

Wer regelmässig im Breitsch einkehrt, hat ihn zur Genüge gekannt, den Schrecken aller Kardiologen und Hausärzte, das Restaurant «Tramway» an der Militärstrasse 64, wo die Cordons bleus und der Bierdurst während mehr als 30 Jahren gleich riesig blieben. Im August 2022 war der «Anzeiger für das Nordquartier» unmittelbar vor der Schliessung ein letztes Mal dort. Damals schrieben wir: «Schnell wird klar, warum eine Generalüberholung wünschenswert ist und weshalb wir Hemd und Hose später auf unseren Balkon ausquartieren. » Das Ehepaar Spycher ist mittlerweile mit identischem Angebot und dem Cholesterinteufel nach Bümpliz gezügelt. Und die 1899 erbaute Liegenschaft wurde wie angekündigt kräftig renoviert. Schon vor der temporären Schliessung war ein «Betrieb mit lokalem Bezug und Blick auf Nachhaltigkeit» vorgesehen, wie wir festhielten. Dies ist mit dem jetzigen Pächter und seiner Ausrichtung gelungen. Und viel mehr dazu: Denn hinter dem Herd steht seit Dezember 2023 Simon Apothéloz. Der «Gault-Millau-Aufsteiger des Jahres» 2018 hielt in der «Eisblume» Worb zuletzt 17 Punkte und einen Michelin-Stern. Anfang 2019 ging die «Eisblume» zu und Apothéloz auf Wanderschaft, die ihn zum Fleisch- und Käsespezialisten Jumi und in die Gelateria di Berna führte. Anfang 2023 grüsste er unter dem Pop-up-Namen «Ragazzi Vegetali» für ein paar Tage im «Viktor», nun ist er unweit davon am Breitschplatz wieder sesshaft.

Einstein als Namensgeber

Zweimal zeigt sich Apothéloz beim Service kurz an unserem Tisch, ansonsten ist seine Präsenz nicht einmal auf der Website vermerkt. Dafür lebt er sich in der Küche umso mehr aus. «Gutes Essen, gute Getränke, nicht mehr, nicht weniger. Und alles so fair zu Mensch und Umwelt wie möglich», lautet das Credo. Bevor wir auf die Karte lossteuern, sind wir Ihnen wohl noch eine kurze Erklärung des Lokalnamens schuldig. Während seiner Berner Zeit zwischen 1902 und 1909 wohnte Albert Einstein kurzzeitig im ersten Stock der Liegenschaft. Zusammen mit seinem Schüler Maurice Solovine, dem Mathematiker Conrad Habicht und weiteren Getreuen unterhielt er dort einen Philosophiekreis namens «Akademie Olympia», auf den sich das Restaurant beruft und so Einsteins Erkenntnisse weiterträgt: «Bestimmte Eigenschaften und physikalische Grössen sind nur relativ zu einer Beobachterperspektive definierbar. So ist es auch mit unserem Projekt: je nach Anschauung sind wir Restaurant, Bar, Café oder Bäckerei. Oder alles zusammen. Olympia eben.»

Der «olympische» Geist

Bereits in Worb pflegte Apothéloz kein klassisches «Fine Dining»-Konzept. Im «Olympia, das nach der Generalüberholung aus einem grossen Raum mit neuer Bar besteht, schon gar nicht. Bei unserem Besuch an einem Mittwochabend sehen wir viele Quartier-Gesichter und registrieren trotz «Full House» eine komplett stressfreie Atmosphäre. Wer weisse Tischdecken und Messerbänke sucht, kommt vergebens. Einziger Wandschmuck ist ein Plakat der Berliner Spoerri-Schülerin Amelie von Wulffen von ihrer Kunsthalle-Schau 2019. Wir beginnen mit einer Pilz-Paté mit Cassis-Wachholder-Kompott, können jedoch auch die kleine Charcuterie- Auswahl von der sehr nahen Metzgerei La Boulotte empfehlen. Bei den Vorspeisen setzen wir auf den Wintersalat mit Kernen und Gemüse-Julienne und den gebackenen Weisskohl auf Rotkohl-Vinaigrette, der nur schon farblich eine Wucht ist. Ähnlich wie die Stimmung im Saal ist der Charakter der Speisen. Unaufgeregt und ohne Bluff. Und dennoch schimmert die Meisterschaft – oder vielleicht besser – der wahre olympische Geist des Könners bei jedem Bissen durch.

Grande Finale

Auch die Auswahl der Hauptgänge ist überschaubar, dennoch fehlt nichts. Wir bestellen die Lasagne Olympia, ein eigentliches «Signature Dish», bestehend aus einer Vegi-Pilz-Bolognese mit Ricotta und frittiertem Knoblauch. Und wir wählen das «Risotto», das deshalb Anführungszeichen braucht, weil es aus Huron-Weizen besteht, einer alten, widerstandsfähigen Sorte aus Kanada, die gerade ein Revival erlebt. Der Weizen erhält mit geschmorter Rande, Zitronenconfit und Haselnuss-Dukkah die perfekte Abrundung. Und damit Sie nun nicht einen falschen Eindruck bekommen: Fleisch – Schweinsbratwurst oder Rindshuftsteak – und Fisch – Lachsforelle – figurieren ebenso auf der Karte. Bei den Getränken halten wir uns im Januar etwas zurück, ein Felsenau Junker und ein Glas Beaujolais-Villages von Karim Vionnet genügen. Ganz wichtig: Verzichten Sie keinesfalls aufs Dessert. Wir empfehlen Ihnen dringend den Schokoladenkuchen und die Komposition aus Fior di Latte mit Caramel au beurre salé, Apfelkompott und Thymian-Meringue, welche allein von uns fünf goldene Ringe zugesprochen erhält.

Restaurant Olympia, Breitsch Bern
Salat hat immer Saison.
Restaurant Olympia, Breitsch Bern
Ein köstliches Risotto.
Restaurant Olympia, Breitsch Bern
Gemüse: Weisskohl.
Restaurant Olympia, Breitsch Bern
Süsses darf nicht fehlen: Schokokuchen.

Info

  • Küche: Eigenständig kreativ, mit unverkennbarer Handschrift
  • Service: Rundum gut versorgt
  • Ambiente: Weit entfernt vom «Tramway»
  • Preise: Sehr fair
  • Adresse: Militärstrasse 64, 3014 Bern
  • Kontakt: Telefon 031 529 29 10, www.olympiabern.ch
  • Öffnungszeiten: Montag bis Donnerstag 7.30 bis 22.30 Uhr; Freitag 7.30 bis 23.30 Uhr; Samstag 8.30 bis 23.30 Uhr; Sonntag 9.30 bis 16 Uhr.
  • Mittags wöchentlich wechselnde Menüs und spezielles Frühstücksangebot.

Restaurant Olympia, Breitsch Bern
Der Barbereich.
Restaurant Olympia, Breitsch Bern
Der Eingangsbereich.
Restaurant Olympia, Breitsch Bern
Ine glüüssle.
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