Corinnas Quartier Talk

Corinnas Quartier Talk mit Tanja Aebeli und Henry Althaus

Es verheisst eine spannende Ausstellung zu werden, in Berns kleinster Galerie am Stauffacherplatz. Tanja Aebli und Henry Althaus vereinen ihre Kunstformen mit einem Projekt rund um die Galerie, das sie mit Zeichnungen, Malerei und Objekten festhalten. Ihre «Ab-, An- und Einsichten», so der Titel der Ausstellung, sind noch bis am 8. Juni zu sehen.

AfdN 05/2024 – Henry Althaus und Tanja Aebli
Zwei, die es bunt lieben – Tanja Aebli und Henry Althaus. (Bilder: zvg)

Tanja Aebli ist seit jeher mit Stiften, Pinseln und Werkzeugen unterwegs, um ihre Eindrücke zwei- oder dreidimensional zu verarbeiten. Ihre Werke sind bunt, skurril, surreal. Sie arbeitet als Texterin und Gestalterin an verschiedenen Standorten, wohnt in Köniz und liebt Kunst, Kaulquappen, Tennisbälle und Dreikönigskuchen.

Henry Althaus beschäftigt sich seit vielen Jahren mit der darstellenden Kunst. Ob auf Leinwand, Papier oder Holz: Seine Bilder und Skulpturen handeln von bewegenden Geschichten und Momenten, die uns im Alltag widerfahren. Er wohnt mit seiner Familie in Zollikofen und liebt gutes Essen, Musik und Zeit mit Freunden.

Ihr seid unterschiedlich mit Themen und Ausdrucksweisen unterwegs. Wie seht ihr den «Dialog» eurer Werke?
HA: Unser Projekt war eine Reise ins Ungewisse, zumal wir uns noch nicht lange kennen. Dank unserer Zusammenarbeit entdeckte ich das Quartier rund ums 9a und einen neuen Blickwinkel einer spannenden Künstlerin. Auch gestalterisch habe ich die gewohnten Pfade verlassen und Pinsel und Ölfarben gegen Fineliner ausgetauscht.
TA: Einmal mehr wurde mir bei dieser Zusammenarbeit klar: Das Ich wächst am Du. Henry hat Bildkomposition im Blut. Und eine beeindruckende Nonchalance in der Strichführung. Bleibt zu hoffen, dass das in dieser kurzen Zeit auf mich abgefärbt hat … Um uns zeichnerisch miteinander vertraut zu machen und den Dialog zu eröffnen, haben wir vor dem eigentlichen Projektstart zig «Cadavre exquis» angefertigt. Ein Verfahren, mit dem sich bereits die Surrealisten amüsierten. Unsere Kreaturen sind an ausgewählten Orten im Breitsch zu sehen (Büro Surprise, Gelateria di Berna, Lokal, Barbiere u.a).

Wie habt ihr als Ausstellende zur Wettbewerbsausschreibung der Galerie zusammengefunden?
TA: Uns verbindet die Affinität für Figuratives bzw. für Lebewesen mit zwei oder mehr Beinen. Als dann die 9a-Ausschreibung ins Haus flatterte, war das ein willkommener Anlass, Nägel mit Köpfen zu machen bzw. ein gemeinsames Projekt zu realisieren.

Hat euch der Titel der Ausschreibung «Und plötzlich diese Sicht» sofort interessiert oder war es ein Prozess?
HA: Ich sah grosses Potenzial in diesem Thema. Aber klar: Wo die Reise hinführen wird und ob die Zusammenarbeit zwischen uns funktionieren würde, war nicht von Beginn an klar. Nichtsdestotrotz haben wir in hohem Tempo ein Konzept ausgetüftelt und eine Stunde vor Ablauf der Deadline losgeschickt.
TA: Ich war subito Feuer und Flamme für diesen Titel – als erklärter Fan von Fischli/Weiss, auf deren Werktitel die Ausschreibung augenzwinkernd Bezug nimmt. Und auch das 9a – dieses Minikunsthaus, in dem dank dem beherzten Einsatz eines grossartigen Teams seit 15 Jahren Ausstellungen realisiert werden – ist für mich ein «best place in town».

Inwiefern möchtet ihr die Besuchenden mit eurem Projekt motivieren, ansprechen?
TA: Unser Projekt hat einen direkten Bezug zum Zeitgeschehen und der zunehmenden Radikalisierung. Wir wollen ein Bewusstsein für die eigene Perspektive schaffen und dazu animieren, den Blickwinkel hin und wieder zu ändern. Ein Kleinkind nimmt die Welt anders wahr als ein Hüne, ein Frosch anders als ein Pferd. Wenn es gelingt, den eigenen Horizont zu erweitern, ist das eine gute Basis für ein gesellschaftliches Miteinander.
HA: In meiner Kunst geht es um meine Sichtweise auf die Welt; ich sehe mein Umfeld mit kritischen Augen und einem gewissen Schalk. Wenn ich damit Mitmenschen anzusprechen vermag und diese Perspektive teilen kann, freut mich das.

Habt ihr für das Projekt «Von Ab-, An- und Einsichten» gemeinsam gearbeitet?
HA: Wir trafen uns mehrmals im Lokal Barbiere, um uns auszutauschen und die nächsten Schritte zu besprechen. Die Streifzüge durchs Quartier erfolgten teils zu zweit, teils im Alleingang.

Du, Henry, hast den Blick auf die Szenerien vom «hohen Ross» aus schweifen lassen, du Tanja aus der Froschperspektive. Was hat euch dazu bewegt?
HA: Als Tierarzt fasziniert mich das Tier, insbesondere das Pferd. Seit einigen Jahren beschäftige ich mich in meinem künstlerischen Werk mit der farbigen, lauten Welt der Pferderennbahn.
TA: Meine Wahl fiel auf den Frosch, weil sich an ihm bezüglich Ästhetik und Akustik die Geister scheiden. Mich fasziniert, welch wundersame Transformation er durchläuft, aber auch sein Potenzial zum Kronenträger ist nicht ohne.

Wer oder was hat euch inspiriert, als Kunstschaffende zu leben?
HA: Ich zeichne seit meiner frühsten Kindheit. Ich erkannte bald die Kraft des Ausdrucks mit diesem Mittel. Die Möglichkeiten und die visuelle Sprache der Karikatur und der Bande Dessinnée haben es mir besonders angetan. Nach einer Karriere in der veterinärmedizinischen Pharmaindustrie konzentriere mich heute ganz auf die Kunst.
TA: Bei meinen gestalterischen Projekten lote ich Grenzen aus, experimentiere, nehme meine Aussenwelt bewusst wahr, halte inne, reflektiere, visualisiere. Kurz: Ein Leben ohne Kunst kann ich mir nicht vorstellen.

Wo würdet ihr gerne im Nordquartier ein «Denk-Mal» platzieren und wie sähe dieses aus?
HA: Ich sähe eine abstrakte Pferdeskulptur aus Metall auf dem Breitsch platz. Als Erinnerung daran, dass das Pferd im Nordquartier bis im letzten Jahrhundert in Bezug auf den Standort der EMPFA (heute Nationales Pferdezentrum NPZ) eine prägende Rolle gespielt hat. Heute noch werden dort Pferde und Pferdesportler trainiert.
TA: Ich würde eine goldene Kugel auf den Viktoriaplatz hieven, weil der noch etwas Glamour verträgt. Als Symbol für Verantwortung, die wir als Menschen tragen, und als Appell, Dinge ins Rollen zu bringen.

Herzlichen Dank für eure Zeit und viel Erfolg mit eurer Expo!


Aktuelle Ausstellungen in Bern

Tanja Aebli & Henry Althaus
9a am stauffacherplatz,
das kleine Kunsthaus,
Stauffacherplatz 9a,
von Ab-, An- und Einsichten,
23.5 – 8.6.24

Henry Althaus
BiG Bibliothek am Guisanplatz,
Papiermühlestrasse 21a,
Im Galopp: Pferde in der Schweizer Armee Ausstellung, eine Intervention von Henry Althaus.
17.5.24 – 28.11.25 

AfdN 05/2024 – Tanja Aebli
Tanja Aebli
AfdN 05/2024 – Henry Althaus
Henry Althaus

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