Freibäder im Nordquartier

Streifzug durchs Wyler- und Lorrainebad

Trotz kurzer Entfernung ziehen die beiden Freibäder im Nordquartier ein unterschiedliches Publikum an. Das ist auch ihrer Entstehung und Charakteristik geschuldet. Ein Überblick.

Text: Jean-Claude Galli, Bilder: Jean-Claude Galli und Sportamt Bern
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Crazy Jump: ein veritabler Hingucker im heute wiedereröffneten Freibad Wyler.

Heute Mittwoch wird das Freibad Wyler nach einer zehnmonatigen Sanierungsphase wieder dem Publikum übergeben. Die Türöffnung erfolgt um 12 Uhr, die offizielle Einweihung der renovierten Anlage beginnt um 17.30 Uhr. Zum Programm gehören Reden von Stadtpräsident Alec von Graffenried und Gemeinderätin Franziska Teuscher sowie eine Show des Berner Synchrovereins. «Das Freibad Wyler ist dank dem Umbau nun auf einem topmodernen Stand und verfügt über viele neue Attraktionen, die zusätzliche Gäste anlocken dürften, gerade aus dem jüngeren Alterssegment», sagt Rolf Wyttenbach, stellvertretender Anlagenchef des Wyler- und Lorrainebades, gegenüber dem Anzeiger für das Nordquartier. «Insbesondere erwähnen möchte ich die steile Kurzrutschbahn ‹Crazy Jump›. Auch das neue Kinder- und Planschbecken ist ein grosser Gewinn. Damit sprechen wir vor allem Familien mit kleineren Kindern an. Das Wylerbad war zwar bereits vorher ein Quartier-Familienbad. Doch die Sanierung wird diesen Effekt noch verstärken und bedeutet eine gros se Aufwertung und Attraktivitätssteigerung.»

Eine vollständige Überholung der Anlage war dringend nötig. Das Freibad Wyler, das drittgrösste der Stadt, wurde 1971 erbaut. Seitdem gab es keine umfassenden Sanierungsarbeiten. In Plänen von Architekten- Legende Willi Althaus (1912–1996) taucht das Wylerbad bereits 1948 erstmals als Bauvorhaben auf, damals aber noch südlich der Bahnlinie auf dem heutigen Wankdorfschul-Areal. Erst als 1963 die Eidgenössische Waffenfabrik ihren Schiessplatz nicht mehr brauchte, gab es an dieser Stelle Raum und Fläche für ein Freibad. Sein Bau verdrängte schliesslich den früheren Sportplatz Wyler.

Viele Neuerungen im Wylerbad

Neu sind alle Becken im Wylerbad mit Edelstahl ausgekleidet. Und das 50-Meter-Becken weist künftig die nötigen Masse zur Durchführung von Wettkämpfen auf. Die grössten Veränderungen gab es bei den beiden Nichtschwimmerbecken. Nun sind sie zusammengelegt, wodurch die Wasserfläche grösser wurde. Begehbare und mobile Elemente unterteilen das Becken neu in unterschiedliche Bereiche für verschiedene Altersgruppen. Die Sprunganlage wurde ebenfalls saniert und um den bereits erwähnten «Crazy Jump» erweitert. Das Planschbecken für Kleinkinder ist jetzt grösser und besser beschattet. Ebenfalls erneuert wurde der Spielplatz nördlich davon. Die ganze Anlage ist nach Abschluss der Arbeiten hindernisfrei. Das Wasser wird künftig mit einem sogenannten Druckanschwemmfiltersystem aufbereitet. Die neue Technik macht einen energieeffizienteren Betrieb der Anlage möglich. Das gebrauchte Badewasser kommt in zwei neue unterirdische Wassertanks, wird entchlort und dient anschliessend der Bewässerung der Pflanzen und Liegewiesen. «Am Anfang wird es sicher noch einige Feinjustierungen geben, die wir laufend vornehmen müssen. Wie sich der erneuerte Betrieb im Alltag bewährt, können wir natürlich erst in einigen Wochen beurteilen. Doch wir sind wirklich sehr optimistisch und freuen uns sehr auf den Start», sagt Rolf Wyttenbach.

Auch das Lorrainebad braucht eine Sanierung

Achtzig Jahre älter als das Wylerbad ist das zweite Freibad im Nordquartier, das Lorrainebad. Zum Bau der «Lorraine-Badeanstalt» erwarb die Stadt 1892 den nördlichsten Teil des Rabbental-Guts. Die Anlage wurde am 17. Juli 1892 eröffnet und 1913 sowie 1936 zwei Mal erweitert. Sie gehört zu den ältesten Flussbädern der Schweiz und ist nach dem Marzili das zweitälteste erhaltene Freibad der Stadt. Im Zusammenhang mit der grossen Aareuferkorrektion wurde 1913 der Grundstein für das heute noch bestehende Bad gelegt. Entsprechend dem damaligen Zeitgeist wurde es als Kastenbad konzipiert, im Inventar der Denkmalpflege ist es heute als erhaltenswert eingestuft. Holzpfähle wurden in den Grund geschlagen und ein Damm aufgeschüttet. Die 175 Meter lange Holzkastenwand diente gleichzeitig als Abschirmung und Garderobe. Der Zugangsweg von der Jurastrasse her entstand 1919. Aufgrund der immer schlechter werdenden Wasserqualität der Aare wurde das damalige Flussbad bis 1949 vollständig abgetrennt und seither mit Grundwasser gespiesen. 1988 entstand aus dem Nichtschwimmer-Abteil ein Kinderbassin. Die letzte Renovation datiert von 2004. Damals wurde die Buvette erneuert, die obere Liegewiese mit einer Rampe hindernisfrei erschlossen und um einen Kleinkinderbereich mit Planschbecken und Spielplatz erweitert. Ausserdem wurden das Geländer des Aarestegs sowie die Betonplatten des Beckenumgangs ersetzt.

Auch beim Lorrainebad ist eine umfassende Sanierung dringend nötig. Der Aaresteg weist altersbedingte Schäden auf, die durch die Hochwasser von 1999 und 2005 noch verschlimmert wurden. Ebenso ist die Wasserqualität im Becken aufgrund der vielen Wasserpflanzen und des schlammigen Untergrunds zweifelhaft. Eine wichtige Aufwertung der Anlage, welche auch grössere Publikumsströme nach sich zog, geschah 2013 mit der Umwandlung der an das Bad angrenzenden Schafweide in eine Liegewiese. So erhielt das kleinste der fünf städtischen Freibäder eine rund 1800 Quadratmeter grosse externe Zusatzfläche. Bereits um die Jahrtausendwende und wiederum Anfang 2021 sorgte das Ansinnen des Gemeinderates, das Bad aus Spargründen zu verpachten, für grosse Aufregung weit über das Quartier hinaus. Der Gemeinderat erhoffte sich so einen jährlichen Spareffekt von 400 000 Franken. Das Logo der Privatisierungsgegner, eine rot-weisse Badeente auf grünem Grund, war rasch überall auf Klebern und Bannern präsent. Und der Widerstand zeigte Wirkung. Am 16. September 2021 erteilte der Stadtrat den Plänen des Gemeinderates mit 53 zu 15 Stimmen eine deutliche Abfuhr. Doch gegen eine erhaltende Sanierung werden sich nun wohl auch die hartgesottensten Nostalgiker nicht sträuben wollen. Zurzeit wird ein entsprechendes Bauprojekt ausgearbeitet. Über den nötigen Kredit stimmt die Bevölkerung voraussichtlich 2025 ab. Die Arbeiten sollen im Herbst 2026 beginnen und bis ins Frühjahr 2028 dauern.

So unterschiedlich wie ihre Entstehungsgeschichte und ihr Angebot ist trotz geringer Distanz dazwischen auch das Publikum. Das zeigt schon ein kurzer Blick in die Picknickkörbe und auf den Kleidungsstil der Gäste. Ausserdem wirken stehende oder rasch fliessende Wasser gemäss deutschen Untersuchungen unterschiedlich auf die Psyche ein. Bassin und Fluss sind zwar nicht gerade zwei Weltanschauungen, doch können sie die Gemütslage deutlich anders beeinflussen. «Das Wylerbad ist und bleibt ein Quartier-Familienbad, die Jugendlichen gehen eher ins Marzili», sagt Rolf Wyttenbach. Beim Lorrainebad hat er punkto Zuspruch eine markante Veränderung festgestellt, die sich auch zahlenmäs sig belegen lässt. «Das Lorrainebad hat sich im Verlauf der Jahre von einem eher ruhigen Bad hin zu einem eigentlichen In-Place entwickelt. Das widerspiegelt sich auch in den erhöhten Besucherwerten. Welches Bad wie gut läuft, ist aber immer auch eine Mode- und Trendfrage.» Einen Grund für die massive Zunahme beim Lorrainebad ortet Wyttenbach bei der beliebten Buvette und den neuen Öffnungszeiten der Anlage. «Und auch die zusätzliche Liegewiese ausserhalb des Bades ist nun stark belebt. Ausserdem war letztes Jahr ein Top-Sommer, der zusätzlich sehr viele Aareschwimmer ins Lorrainebad brachte.»

Hummus und falscher Thunfisch

Bei den Essens- und Getränkeangeboten der beiden Bäder hat in den letzten Jahren auch zeitgeistbedingt eine Veränderung und Angleichung stattgefunden. «Badi-Essen » galt früher eher als bedingt gesund und tendierte mit den unvermeidlich scheinenden Pommes frites, Hot Dogs und Hamburgern oft Richtung Fastfood. Das Credo lautete: «Badi gleich Ferien. Und in den Ferien darf gesündigt werden.» Doch stehen im Wyler- wie auch im Lorrainebad mittlerweile frisch zubereitete Speisen aus saisonalen Zutaten von möglichst nahe gelegenen Produzenten im Zentrum. Und auch der Fett- und Zuckerteufel lässt sich einigermassen in Schach halten. Im Wyler läuft die Pacht der bereits gut bewährten Unaotra-Equipe sicher noch bis 2025, die Restaurant-Saison beginnt zeitgleich mit der heutigen Einweihung der Anlage. Im letzten Jahr durften wir uns auf der Terrasse mit den bunten Tischen beispielsweise an mediterranen Apero- Köstlichkeiten mit Hummus und Oliven erfreuen und hoffen jetzt auf eine Wiederholung. Die Buvette im Lorrainebad wird nun bereits in der achten Saison von der Crew der Burgunder-Bar an der Speichergasse geführt. Nach unserem Besuch von letzter Woche empfehlen wir dringend das hausgemachte Baba Ganoush, das Randentatar und vor allem den falschen Thunfischsalat auf Kichererbsen-Basis, der dank der Beigabe von getrockneten Algen das Meer direkt auf den Teller bringt. Wer es aber trotzdem nicht lassen kann: Pommes frites und Burger – auch in Vegi-Ausführung – stehen immer noch auf der Karte. Und im Lorrainebad als Ehrbezeugung an den Züri-West-Song «Fisch» zum Dessert immer Pflicht: ein oder am besten gleich zwei Vanille- Cornets. So ist auch der heisseste Sommer erträglich.

Das Lorraine- und das Wylerbad sind durchgehend bis am 15. September geöffnet. Weitere Informationen unter www.sportamt-bern.ch

Wir danken dem Sportamt und dem Stadtarchiv für die Unterstützung zu diesem Artikel.

Wylerbad
Nach der vorzeitigen Schliessung Ende August 2023 wurde das Wylerbad zehn Monate lang umfassend saniert.
Wylerbad
Das 50-Meter-Becken ist neu dank einer kleinen Verlängerung wettkampftauglich. Hinten rechts der sanierte Sprungturm mit dem neuen, knallgelben «Crazy Jump».
Wylerbad
Die beiden Nichtschwimmerbecken wurden zusammengelegt und verfügen neu über begehbare und mobile Elemente. (Bilder: Jean-Claude Galli)
Lorrainebad
Das Lorrainebad in den frühen Morgenstunden. (Bild: Sportamt Bern)
Wylerbad
Die Wyler-Restaurant-Terrasse mit den farbigen Tischen, betrieben von der Unaotra- Crew. Die Pacht läuft noch bis 2025.
Lorrainebad
Auch fürs Lorrainebad ist eine umfassende Sanierung geplant. 2025 soll die Kredit- Abstimmung stattfinden.
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