YBrahim Mostafa (Teil 1)

«Was vom Herzen kommt, geht zum Herzen»

Wenns ums Schutte geht, kommt YBrahim Mostafa so richtig in Fahrt. Voller Engagement erzählt er, wie der «Strassenfussballer aus Kairo» ein Schweizer Sportjournalist wurde. Sein Anekdotenschatz ist riesig.

Aufgezeichnet von Katrin Bärtschi
P10155242_AfdN_10_301024 19-1-min.jpg
YBrahim mit den YB-Cracks Sandro Lauper (links) und Fabian Lustenberger (rechts). (Bild: zvg)

Ich bin in Kairo geboren und aufgewachsen und studierte dort sechs Semester Jus. Mit Bekannten, die ich in Griechenland besuchte, reiste ich dann nach London, wo ich drei Jahre blieb und wo ich meine Ex-Frau, eine Bernerin, kennenlernte. Darum bin ich jetzt hier. Seit fünfzig Jahren, das habe ich letztes Jahr mit meinen Kindern gefeiert.

Eigentlich bin ich ein Strassenfussballer. Meine Kollegen spielten Karten oder gingen ins Kino, mich faszinierte der Sport. Wir joggten am Nil. Damals war Kairo eine Zehn-Millionen-Stadt, immer Stimmung, crowded. In Bern sagte man: «Ibrahim, hier ist tote Hose.» Aber ich fand dann heraus, wo sieben Tage die Woche nicht tote Hose ist: im «dead end», beim «Sleeper». Und ich war viel in der Turnhalle im PROGR. Konzerte, auch arabische Künstler. Musik ist eine Sprache, sie ist Vermittlung, Austausch. Es freut mich natürlich, dass arabische Musik auch in Bern beliebt ist. In Zamalek habe ich in den Sommerferien ausländische Zeitungen verteilt – mit dem Velo. Darum fahre ich jetzt auch hier Velo. Ich kam 1948 auf die Welt. Ich hatte vier jüngere Schwestern und einen Halbbruder. Eine Schwester ist gestorben, eine ist nach New Jersey migriert und eine lebt in Kairo. Mein Halbbruder lebt in Griechenland. Ich gehörte zur Nasser-Generation, Nasser war unser Held. Aber seine Clique nützte ihn aus. Und nach dem Sechstagekrieg war die Stimmung im Land sehr deprimierend. Wir verloren die Hoffnungen und Illusionen. Fürs Studium konnten wir Wünsche deponieren – mich interessierte Wirtschaft und Kultur – aber ich wurde schliesslich dem Jus zugeteilt. Es war «huere troche», und ich war zuletzt nicht mehr besonders motiviert.

In England arbeitete ich dann im Service und im Verkauf und besuchte Englischklassen. 1972 begegnete ich meiner Frau. Wir heirateten, kamen zurück in die Schweiz und Ende Oktober 1974 kam unsere Tochter Susann auf die Welt. 1977 wurde unser Sohn geboren. Die Geburt der Tochter, bei der ich dabei war, war faszinierend, einer der schönsten Momente meines Lebens. Ich arbeitete als Hilfsarbeiter bei Tobler und musste zum ersten Mal zum Zahnarzt, weil ich so viel Ausschuss- Schoggi ass. Nach Weihnachten und Ostern wurde der Schoggi kiloweise an uns verkauft, ich schickte einmal nach Ägypten, aber sie mussten so viel Zoll bezahlen und sagten: Schick nie wieder!

Warum wurde ich Journalist

Ich machte in Freiburg einen sehr interessanten Hochschulstudium-Vorbereitungskurs für ausländischen Studierende, deren Diplom in der Schweiz nicht anerkannt wurde. Mein Stipendienantrag für ein Jusstudium an der Uni Bern wurde abgelehnt, weil meine Frau auf der Bank arbeitete und zu viel verdiente. Deshalb lag es finanziell nicht drin, zu studieren. Ich arbeitete dann im Service, in der «Glocke», wo ich unter anderen Peter Hinnen und die Jodlerin Therese von Känel kennenlernte, deren Hobby Ägyptologie war. Später fand ich eine Stelle beim Schweizer Radio International. Am Wochenende übersetzte ich die News vom Englischen ins Arabische und sprach sie ins Mik. In Genf schuttete ein Marokkaner und ich fragte den Chef, ob er ein Interview mit ihm mache. Mein Chef sagte: «Mach du es.» Ich kaufte in der Brunngasse ein Occasions-Spulentonband und reiste nach Genf.

Diese Begegnung weckte meine Leidenschaft für den Fussball wieder und ich wurde beim Radio für den Sport zuständig. Nach meiner ersten Live-Reportage über ein Länderspiel Schweiz gegen Norwegen – die Schweiz verlor 0:2 – war ich für alle Länderspiele akkreditiert. Und einmal in der Arcady Bar entdeckte Martin Hofer mich. Er arbeitete für die BZ als Sportjournalist und für den «Sport». In Ägypten fand damals der Africa Cup statt, für mich natürlich ein Highlight. Martin Hofer fragte mich, ob ich darüber etwas machen wolle. «African Splitter von Ibrahim Mostafa». Und dann Schweiz – Algerien, ein weiteres Highlight in meiner Karriere. Und auch zum Spiel Ägypten – Schweiz im Nasser-Stadion reiste ich als akkreditierter Schweizer Journalist. Ich übersetzte zudem für den damaligen Nati-Trainer Daniel Jeandupeux im Fernsehen, mein Name wurde in der Sportwelt langsam ein bisschen bekannt. Die Schweiz gewann 3:1. In Kairo wurde ich deshalb «azündet»: «Du bringst eine Nationalmannschaft, die uns schlägt!»

Der «Blick» kam dann auf mich zu. Er bezahlte natürlich mehr als der «Sport». Ich musste dann wählen. Auch weil der «Blick»-Redaktor Bobsien sehr sympathisch war, entschied ich mich für den «Blick», wo ich dann dreissig Jahre als freier Mitarbeiter für die arabischsprechenden Spieler zuständig war. Es gab eine Kolumne «Sport intim», in der darüber berichtet wurde, was die Sportlerinnen und Sportler in der Freizeit machen. Das hat mich sehr fasziniert. Ich konnte dort auch schreiben, anonym. Parallel schrieb ich für eine ägyptische und eine saudische Zeitung über Spieler und Fussball.

Der «Blick» war damals nicht beliebt bei den Journalisten. Wenn ich bei Bobsien sass, schauten die andern mich schräg an, aber das störte mich nicht, ich musste lachen.

In den 80er-Jahren erhielt ich einmal vom Schweizerischen Fussballverband SFV einen Auftrag: Es war ein Freundschaftsspiel zwischen dem Swiss Team U-21 und der ägyptischen U-21 in der Schweiz geplant. Ich konnte das ägyptische Team während einer Woche betreuen, das Trainingslager fand in Elm, dem Vreni- Schneider-Dorf, statt. Sieger war dann glaube ich das Schweizer Team. Es war ein schönes Erlebnis in meiner Karriere. 1986 wurde YB Meister und 1987 Cupsieger. Der Club fand viel Beachtung in der Presse. Als ich einmal mit der Familie auf der Allmend war, sah ich das Meisterteam gegen das Old-Star-Team Eishockey spielen. Kein Reporter weit und breit, ich schrieb einen Bericht für Bobsien und er hatte «huere Fröid». Es gab auch ein Foto mit einem Fussball statt des Pucks auf dem Eis. Der «Blick» wusste eben alles, alle Journalisten mussten ihn lesen. Diese Arbeit reichte nicht fürs Leben, aber sie hat mich fasziniert! Ich habe jeden Trainer persönlich kennengelernt und viele Stars.

Aufgezeichnet von Katrin Bärtschi

Das ist der erste Teil des «Quartier- Chopfs» mit YBrahim Mostafa. Der zweite folgt in der kommenden Ausgabe vom 27. November 2024.

BEX_Banner_Anzeiger_Nordquartier_200x748px1.jpg