Der Erhalt und die Vermittlung von Kunstwerken ist auch eine Kunst
In der Nähe des Wankdorfstadions befindet sich die Kunstsammlung der Stadt Bern. Unterirdisch angelegt und für die Öffentlichkeit nicht sichtbar, ist die Fördersammlung für Berner Kunstschaffende dauernd in Bewegung. Das passiert durch Ankäufe, Ausleihen an städtische Gebäude sowie an Museen und Fachhochschulen.
Als Kunst kann bezeichnet werden, was der Mensch dank Wissen und praktischen Kenntnissen erschafft, ohne jedoch gezielt eine rationale Funktion anzustreben; am Ende dieses schöpferischen Prozesses steht oft ein Kunstwerk. Viele Kunstwerke ergeben eine Sammlung. Im Fall der städtischen Kunstsammlung sind es ungefähr 4200 Werke, etwa ein Drittel davon ist im Umlauf und allesamt sind es Werke von Kunstschaffenden, die nicht nur einen Bezug zu Bern haben, sondern zur Stadtberner Kunstszene gehören. Kunstwerke als Teil der menschlichen Kultur verdienen es, erhalten und verwaltet zu werden. Das ist, was Ba Berger und Kristina Herbst als Co-Leiterinnen der Kunstsammlung und damit als Mitarbeitende von Kultur Stadt Bern tun. Ba Berger als Kunsthistorikerin mit dem Schwerpunkt auf Kunstwissenschaft, Kristina Herbst als Restauratorin mit dem Schwerpunkt Konservierung und Restaurierung. «Die Kunstsammlung entstand um das Jahr 1900», erklärt Ba Berger den Hintergrund der Sammlung, «später, in den 1930er-Jahren, begann die Stadt, die Ankäufe strukturiert zu tätigen.» Das sei als Unterstützung für Kunstschaffende geschehen, als eine Art Sozialhilfe, um ihnen das Überleben zu ermöglichen. Später etablierte sich die Kulturförderung, dadurch wurde das künstlerische Schaffen systematisch unterstützt.
Querschnitt der Berner Kunst
Die Kunstsammlung der Stadt ist bis heute eine Fördersammlung für Kunstschaffende, unabhängig von ihrer Reputation und dem Wert ihrer Werke. Deshalb stellt sich für die Kulturkommission, welche die Ankäufe empfiehlt und zur Genehmigung dem Gemeinderat zum Entscheid vorlegt, nie die Frage nach einer finanziellen Wertsteigerung. Der Wert der Sammlung liegt darin, einen Querschnitt des Berner Kulturschaffens präzise und dem Zeitgeist angepasst zu dokumentieren. Dadurch wird eine Kollektion aus Gemälden, Skulpturen, Arbeiten auf Papier oder Fotografien, aber auch aus zeitgemässer Videokunst oder Installationen als einzigartiges Zeitdokument weiterentwickelt und erhalten. Als Novum hat die Kulturförderung im letzten Jahr erstmals Performance- Kunst angekauft. Das sei für die Kunstschaffenden wie auch für die Leitung der Kunstsammlung eine komplett neue, spannende Herausforderung, sagt Ba Berger, der Umgang mit Performance-Kunst sei eine ganz andere Kategorie als die Ausleihe von Gemälden oder Skulpturen. Es ist offenbar gelungen, am 21. November wird eine der beiden Performances in der Stadtgalerie im PROGR aufgeführt. Für alle Kunstwerke der Sammlung gilt, dass «die Ankäufe der Werke im Sinne einer Förderung getätigt werden, also für lebende, aktive Berner Kunstschaffende», betont die Kunsthistorikerin und weist darauf hin, dass aus der Kunstsammlung eine verhältnismässig hohe Anzahl an Werken ausgeliehen sind.
Nur teilweise sichtbar
Deshalb bleiben die Werke der Berner Bevölkerung erfreulicherweise nicht völlig verschlossen. Rund 1‘500 Werke sind sichtbar an etwa hundert Adressen der Stadtverwaltung oder stadtnaher Betriebe. Sei es im Eingangsbereich, in Treppenhäusern und Sitzungszimmern oder Büros. Städtische Angestellte haben jederzeit die Möglichkeit, Werke aus der Kunstsammlung auszuleihen und ihr Arbeitsumfeld damit zu bereichern. Die beiden Co-Leiterinnen freuen sich darüber, dass die Möglichkeiten zur Ausleihe für alle städtischen Angestellten genau gleich sind, ob Lernender oder Direktionsvorsteherin. Zudem befinden sich einige der Werke als Dauerleihgabe im Kunstmuseum Bern. Auch andere Museen können Objekte aus der Sammlung beantragen und im Bernischen Historischen Museum sind ebenfalls Werke aus der Kunstsammlung zu sehen, ebenso in einigen Alters- und Pflegeheimen. Die Kunstschaffenden, so Kristina Herbst, von denen sich Werke in der Sammlung befinden, können diese natürlich jederzeit öffentlich ausstellen. Die Restauratorin, die an der Hochschule der Künste Bern im Fachbereich Konservierung und Restaurierung unterrichtet, erwähnt in diesem Zusammenhang einen weiteren, wichtigen Effekt der Kunstsammlung: «Wir stellen den Studierenden Kunstwerke aus der Sammlung zu Forschungszwecken zur Verfügung.» Die Frage, ob sie als Restauratorin, die an teils sehr wertvollen Gemälden Hand anlegt, sich selbst auch als Künstlerin sieht, verneint sie. «Der Bereich Restaurierung und Konservierung stellt das Künstlerische ein Stück weit zurück, weil es eher eine technische Tätigkeit ist.»
Kompetenz in der Beratung
Allerdings müsse man schon verstehen, was ein Kunstwerk ausdrücken will, «Kreativität ist vor allem gefragt, um Lösungen zu finden, wie der Zustand des Werkes erhalten werden kann. Das ist der grösste Anspruch.» Dazu, so Kristina Herbst, gehören fundierte Kenntnisse über die Einflüsse von Licht und vom Klima der Umgebung genauso wie die richtige Wahl der Materialien zur Retuschierarbeit, wo eine respektvolle Zurückhaltung gefragt ist. «Man fängt mit wenig an und versucht, Massnahmen zu treffen, die auch wieder rückgängig gemacht werden können.» Das bedeutet, dass die richtige Wahl der Materialien getroffen wird und, wie Ba Berger ergänzt, dass dazu naturwissenschaftliche Kenntnisse gefragt sind; und es macht auch deutlich, weshalb für diese berufliche Tätigkeit ein Bachelor- oder Master-Studium an der Hochschule absolviert werden muss. Die Kompetenzen der Co- Leiterinnen sind auch deshalb nötig und gefragt, weil die Objekte der Sammlung – unter anderem Werke von Franz Gertsch, Hanni Bay, Cuno Amiet, Susanne Schwob oder Bernhard Luginbühl – an verschiedenste Standorte mit unterschiedlichen klimatischen Verhältnissen ausgeliehen werden. «Wir wissen, wo die Werke hinkommen», sagt Kristina Herbst, «und es liegt in unserer Kompetenz, auch mal von einer Ausleihe abzuraten. Dabei stossen wir jedoch auf Verständnis und können uns beratend einbringen.» Die Beratung erstreckt sich auch auf die städtische Eigentümerschaft, zu Fragen des Unterhaltes von Kunstwerken, insbesondere auch im Zusammenhang mit der Planung von Bauprojekten.
Öffnung nach aussen
Trotz der teilweisen Sichtbarkeit, es bleibt dabei, dass die Kunstsammlung keine öffentlich zugängliche Ausstellung, sondern nur für einen Teil der Bevölkerung sichtbar ist. Dessen sind sich die Co-Leiterinnen bewusst und Kristina Herbst sagt dazu: «Wir wissen um den Vorwurf, dass wir uns hier versteckt halten und nur für eine Minderheit zugänglich sind. Das ist keinesfalls unser Ansinnen, wir unternehmen vieles, um uns nach aussen zu öffnen.» Ba Berger bestätigt, dass diesbezüglich keine Berührungsängste vorhanden sind, im Gegenteil: «Wir würden gerne das Verzeichnis der Werke, mit dem wir tagtäglich arbeiten, in digitaler Form öffentlich publizieren. » Was auch ein Förderinstrument wäre, ergänzt Kristina Herbst, weil dadurch die bernischen Kunstschaffenden mehr Sichtbarkeit erhalten würden, beispielsweise für externe Museen, aber auch für die städtischen Angestellten, die Werke ausleihen wollen. Den Leiterinnen ist bewusst, dass mit dem Aufbau einer Datenbank ein erheblicher Aufwand verbunden ist und sie haben Verständnis dafür, dass sich die Stadtverwaltung im Umgang mit öffentlichen Geldern eine gewisse Zurückhaltung auferlegt. Insbesondere schätzen sie, dass die Stadt in den letzten Jahren viel in die Kunstsammlung investiert hat und allein mit ihren beiden Stellen ein deutliches Zeichen für den Erhalt und die Vermittlung der Kunstsammlung geschaffen hat.