Seit bald 40 Jahren unermüdlich für ein lebendiges Quartier
Der Verein «Läbigi Lorraine (VLL)» wurde vor 38 Jahren offiziell gegründet, nachdem sich eine Gruppe engagierter Leute schon vorher bemerkbar gemacht hatte mit Projekten zu alternativen Lebens- und Wohnformen. Das Engagement richtete sich anfangs vor allem gegen den befürchteten Abriss von Gebäuden mit günstigem Wohnraum.
In den 1980er-Jahren zogen viele junge Leute auf der Suche nach bezahlbarem Wohnraum in das Quartier», sagt Romano Manazza, «man traf sich, tauschte sich aus und kam zum Schluss, sich als Verein zu organisieren.» Der selbständige Grafiker ist Mitglied des neunköpfigen Vorstandes und erwähnt den sogenannten «City-Druck», der damals auf dem Wohnungsmarkt herrschte, da mehrere städtische Quartiere in ihrer ursprünglichen Form durch Bauprojekte gefährdet waren. Die Lorraine, sagt Romano Manazza, war traditionell ein Arme- Leute-Quartier, eines mit vorhandenem bezahlbarem Wohnraum, aber auch eines, das sich deshalb zu einem Rückzugsort entwickelte. «Es darf nicht vergessen werden», ergänzt Catherine Weber, ebenfalls Vorstandsmitglied des VLL, «dass die Entwicklung der Lorraine stark durch die 1980er-Bewegung beeinflusst wurde.» Im Quartier war viel Kleingewerbe ansässig, was auch heute noch so sei. «Das ist gut für ein Quartier, daraus entstehen Arbeitsplätze, es wird eingekauft, die Menschen begegnen sich und das macht ein Quartier erst lebendig.» Die Lorraine sei zwar etwas gastro-lastig geworden, bekräftigen die beiden Vorstandsmitglieder, auch das Gewerbe habe sich verändert, aber trotzdem, diese gute Mischung aus Wohnen, Einkaufsläden, aber auch Galerien, Schuhmachereien oder Coiffeurgeschäften und Buchhandlung bestehe immer noch.
Erfolgsgeschichte Lorrainebad
Die Antwort auf die Frage, ob es trotz – oder vielleicht gerade wegen – aller Veränderungen immer noch lohnend sei, sich für die Lorraine zu engagieren, könnte nicht klarer ausfallen: «Ja, aber unbedingt», sagt Carherine Weber, «mehr denn je», und Romano Manazza nennt einige Gründe, weshalb sich die Menschen in der Lorraine wohlfühlen: «Es ist ein kleinräumiges Quartier und hat fast etwas wie einen Dorfcharakter, man kennt sich; ich finde, das ist sehr wichtig für eine gute Lebensqualität.» Die Vielfalt ist für die beiden der Nährboden für ein lebendiges Quartier, der Name des Vereins ist also Programm. Und äussert sich in vielerlei Aktivitäten. Beispielsweise in der Organisation von Informationsanlässen zu Quartier- Themen, etwa anlässlich des Randwegfestes, wo sich der Verein als Anlaufstelle zur geplanten Sanierung der Häuser und den damit verbundenen Kündigungen der Wohnungen einbrachte. Oder zur Situation des Lorrainebades, einer Herzensangelegenheit und letztlich einer Erfolgsgeschichte für den VLL, nachdem man sich jahrelang gegen eine Privatisierung oder gar Zuschüttung gewehrt hatte und nächstes Jahr über die Sanierung abgestimmt wird. «Das Bad soll in der Art bleiben, wie es ist», sagt Catherine Weber, «nämlich als öffentliche Gratis-Badi ohne Spektakel.»
Streitpunkt Lorrainestrasse
Zudem habe der VLL vieles beigetragen zur Schaffung und Erhaltung von Spielplätzen oder zur Wahrung von altem Baumbestand. Auch ein Engagement anlässlich der Lorraine-Chilbi gehört in das Jahresprogramm, so unterstützte der VLL am letztjährigen Fest den Spielbus auf der gibb-Wiese. Und da gibt es ja auch noch einen schier endlosen Streitpunkt, die Lorrainestrasse nämlich, oder die Dorfstrasse, wie sie von Anwohnenden auch genannt wird. Dörflicher soll sie werden nach dem Willen des Vereins, das heisst mit Langsam-Verkehr durch eine Reduktion auf Tempo 20 auf einem Teil der Strasse. Dieses markante Anliegen des VLL wird jedoch vom ansässigen Leist mittels Einsprachen genauso vehement bekämpft. Was für Romano Manazza schlecht nachvollziehbar ist: «Unser Anliegen richtet sich nicht gegen das Gewerbe und seine Vertretungen. Aber beim jetzigen Verkehrsaufkommen und den bestehenden Verhältnissen kann ja gar nicht schneller gefahren werden.» Das Gewerbe würde deswegen nicht sterben, bekräftigt Catherine Weber, und: «Es sollte einfach akzeptiert werden, dass sich die Lorraine für alle verändert hat und weiter verändern wird.»
Freiräume schaffen
Alle Lebendigkeit in einem Quartier wird jedoch zweitrangig, wenn dort nicht mehr oder nur sehr begrenzt zu moderaten Mietzinsen gewohnt werden kann. «Das Thema Wohnen ist bis heute die wichtigste Angelegenheit von uns», sagt Catherine Weber. «Die Wohnsituation leidet darunter, dass private Hauseigentümer die Häuser renovieren oder sanieren und danach wieder ein Teil bezahlbarer Wohnraum weg ist.» Romano Manazza bestätigt, dass es diese Tatsache sei, die am meisten plage, auch hervorgerufen durch Leerkündigungen, wonach vor einem Umbau alle Mietverträge gekündigt werden. Solches trägt gemäss den beiden dazu bei, dass sich die Struktur der Gesellschaft im Quartier verändert und sich langjährige Bewohnende gezwungen sehen, in die Agglomeration zu ziehen. Die Möglichkeiten, auf diese Entwicklung Einfluss zu nehmen, seien jedoch sehr beschränkt, trotzdem könne die «Läbigi Lorraine» dank ihres Engagements diesbezüglich doch einige Erfolge aufweisen. «Wir wollen mithelfen, die Voraussetzungen für Freiräume für die Bewohnenden zu schaffen», fasst Romano Manazza ein Hauptanliegen zusammen und Catherine Weber sieht eine wichtige Funktion eines Quartiervereins darin, Anlaufstelle für verschiedenste Anliegen der Bevölkerung zu sein. «Wir sehen uns gerne in der Rolle als Steigbügelhalter für andere.»