Dieser Artikel wurde von der «Berner Zeitung» zur Verfügung gestellt.

Trotz Abbaus öffentlicher Parkplätze

Parkieren sei in Bern einfacher geworden, sagt der Alt-Grossrat

Obwohl die Stadt im grossen Stil Parkplätze aufheben will, nahm deren Angebot laut einem Befund von SP-Politiker Res Hofmann zu. Wie kann das sein?

Christoph Hämmann
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Der Berner Breitenrainplatz sei ein «Vorzeigebeispiel» einer Aufwertung durch Parkplatz-Abbau, findet Alt-Grossrat Res Hofmann. (Foto: Adrian Moser)

Tempobeschränkungen, Spurreduktionen, Parkplatz-Abbau: In rot-grün regierten Städten wird dem Auto schon lange kein roter Teppich mehr ausgerollt. Man fühle sich als Automobilist nicht willkommen, heisst es mitunter, oder je nach Temperament: Man werde schikaniert.

Tatsächlich gestalten weltweit Städte unter dem Eindruck des Klimawandels und veränderter Vorstellungen von Lebensqualität den öffentlichen Raum neu, räumen Trams und Bussen, Velofahrerinnen und Fussgängern mehr Platz ein. Die Berner Stadtregierung verkündete 2019, die Zahl öffentlicher Parkplätze von 17’000 «mittelfristig» halbieren zu wollen.

Umso mehr erstaunt der Befund, mit dem der langjährige Politiker und Alt-Grossrat Res Hofmann (SP) an diese Redaktion gelangt ist: Die Anzahl Parkplätze pro Auto hat in der Stadt Bern in den vergangenen Jahren zugenommen. «Die Stadt hätte in den letzten sieben Jahren gut 2500 Parkplätze zusätzlich aufheben können, ohne dass sich der durchschnittliche Parkierkomfort vermindert hätte», sagt Hofmann.

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Ende 2023 sahen die Zahlen in der Stadt Bern so aus: Private Parkplätze gab es 87’600, öffentliche 16’078, was ein Total an Parkplätzen von 103’678 ergab. Die Zahl der angemeldeten Personenwagen belief sich dagegen auf 49’904.

Die Überraschung hat zwei Gründe: Zum einen geht die Zahl der in der Stadt gemeldeten Personenwagen prozentual schneller zurück als jene der Parkplätze – und dies trotz wachsender Bevölkerungszahl. Das hängt auch damit zusammen, dass auf ein Auto zwei Parkplätze kommen; wenn das Verhältnis gleich bleiben soll, müssen pro wegfallendes Auto zwei Parkplätze aufgehoben werden.

Zum anderen stehen der rückläufigen Anzahl öffentlicher Parkplätze mehr private Parkplätze entgegen, die in den vergangenen Jahren neu dazugekommen sind.

Weil private Parkplätze oft exklusiv genutzt werden, gilt es deren Zunahme zwar zu relativieren – wer in der Stadt Bern einen Parkplatz sucht, ist von vielen privaten Parkiermöglichkeiten ausgeschlossen. Angesichts des anhaltenden Rückgangs von Autos hat sich die durchschnittliche Parkplatz-Situation aber auch für jene leicht verbessert, die über keinen privaten Parkplatz verfügen.

 

Support für die Stadtregierung

Trotz seines Rückzugs aus der institutionellen Politik vor acht Jahren sorgt der 80-jährige Hofmann zumindest in «seinem» Nordquartier weiterhin regelmässig für Unruhe. Anders als bei der Kaserne, die er dem Militär wegnehmen möchte, oder bei den Allmenden, deren jahrzehntelangen Abbau er in einem aufwendigen «Schwarzbuch» dokumentiert hat, mag er sich bei den Parkplätzen aber nicht empören – obwohl er sich ein rascheres Vorgehen wünschte.

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Langjähriger Grossrat: Res Hofmann im September 2007 in einem Gespräch mit Hans Grunder und Bernhard Antener. (Foto: Andreas Blatter)

Dabei mag mitspielen, dass mit Ursula Wyss und Marieke Kruit seit 2013 in der Verkehrsdirektion ebenso SP-Kolleginnen federführend waren, wie dies in den nächsten vier Jahren mit Matthias Aebischer der Fall sein wird. Ihm gehe es nicht darum, die Stadtregierung zu kritisieren, so Hofmann. «Die Rechtsordnung ist, wie sie ist – und so muss die Stadt bei jedem einzelnen Parkplatz, den sie aufheben will, Verhältnismässigkeit und öffentliches Interesse nachweisen können.»

Vielmehr geht es dem langjährigen Gymnasiallehrer Hofmann darum, gegenüber jenen Autofahrenden mit einem Missverständnis aufzuräumen, die die Parkplatz-Suche als immer problematischer erachten. «Und dem Gemeinderat möchte ich sagen: Dranbleiben, die Arbeit ist noch lange nicht getan.»

 

Einig mit dem Stadtsoziologen

Hofmanns Befund kollidiert ein Stück weit mit jenem dieser Redaktion, die kürzlich in einem Städtevergleich aufgezeigt hat, in welchem Umfang alle grösseren Schweizer Städte daran sind, öffentliche Parkplätze aufzuheben. In Bern sei das Verkehrsaufkommen in den vergangenen Jahren weniger rasch zurückgegangen als die Anzahl öffentlicher Parkplätze, heisst es dort – was Hofmanns These widerspricht, wonach sich die Parkplatzsuche tendenziell entspannt habe.

Gerade deshalb rechnet Hofmann, dem es in seiner Statistik um die Stadtbewohnerinnen und -bewohner geht, nicht mit dem effektiven Verkehr, der an den Zählstellen erhoben wird, sondern mit der Anzahl in der Stadt gehaltener Autos. Für diese müsse «eine gewisse Knappheit an öffentlichen Parkplätzen bestehen bleiben», findet Hofmann. «Sonst gibt es Anreize für motorisierte Auswärtige, allfällige Lücken sofort zu füllen.»

Genau gleich argumentierte im Städtevergleich Vincent Kaufmann, Direktor des Labors für Stadtsoziologie an der ETH Lausanne. Entgegengesetzt äusserte sich hingegen SVP-Nationalrat Thomas Hurter, Präsident des Automobil-Clubs der Schweiz: Auswärtige, welche die Stadt aus beruflichen Gründen oder für Freizeitaktivitäten besuchten, seien ebenso auf genügend Parkplätze angewiesen wie Einheimische und Gewerbe.

 

Höhere Parkiergebühren weiterhin blockiert

Den Berner Breitenrainplatz, wo das Treffen mit Res Hofmann stattfindet, erachtet dieser als «Vorzeigebeispiel, wie die Aufhebung von Parkplätzen die Aufenthaltsqualität an einem Ort verbessert». Im Rahmen des 56-Millionen-Projekts «Dr nöi Breitsch», juristisch lange blockiert, wurden Parkplätze aufgehoben sowie eine Begegnungszone und ein Fahrverbot Richtung Breitenrainstrasse realisiert.

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Begegnungszone, Fahrverbot, aufgehobene Parkplätze: Res Hofmann vor der Barbière am Berner Breitenrainplatz; ein Rest gelber Markierung auf dem Boden zeigt noch an, wo einst ein Parkplatz für Warenumschlag war. (Foto: Adrian Moser)

Juristische Argumente und einen langen Atem braucht die Stadt immer wieder, wenn sie ihre rot-grüne Verkehrspolitik umsetzen will. Aktuell seien sieben Verfahren gegen Verkehrsmassnahmen hängig, teilt der Informationsdienst auf Anfrage mit, bei der Mehrheit gehe es allerdings um die Herabsetzung der Höchstgeschwindigkeit auf 30 Kilometer pro Stunde.

Bei den vielen Verfahren der vergangenen Jahre gab es laut Stadt bisher «nur einen Fall, bei dem aus inhaltlichen Gründen eine Beschwerde gegen eine städtische Verkehrsmassnahme teilweise gutgeheissen wurde». Dabei ging es um die Achse Bubenbergplatz–Lorrainebrücke–Nordring, wo das Regierungsstatthalteramt auf einem Teilabschnitt die Einführung von Tempo 30 ablehnt. Die Stadt habe gegen diesen Entscheid Beschwerde beim Verwaltungsgericht eingereicht.

Ebenfalls vor Verwaltungsgericht hängig sind die Beschwerdeverfahren gegen die deutlich erhöhten Parkier- und Parkkartengebühren, für die sich die städtische Stimmbevölkerung im Juni 2023 ausgesprochen hatte. Wann die neuen Gebühren frühestens in Kraft gesetzt werden können, lasse sich aktuell nicht sagen, heisst es bei der Stadt.

Das Verfahren lastet auf der städtischen Rechnung: Im Budget 2024 waren laut Infodienst für Parkkarten und Parkgebühren insgesamt 3,4 Millionen Franken Mehreinnahmen eingestellt, für das laufende Jahr 4,8 Millionen – Geld, das in der ohnehin klammen Stadtkasse fehlen wird.

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