Küchengespräche

Der Haushalt: Quelle von Wirtschaft und Gesellschaft

Heidi Kronenberg und Samuel Geiser aus dem Breitenrain betreiben als Paar gemeinsam einen Haushalt. Und haben gemeinsam eine Reise in zwölf Haushalte gemacht, woraus eine Reportage zu verschiedensten Haushaltformen entstanden ist. Bereichert wird das Buch durch einfühlsame Bilder von Yoshiko Kusano und Gesprächen mit Fachleuten.

Martin Jost
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Samuel Geiser und Heidi Kronenberg besuchten zwölf Haushalte für ihre Reportage. Bild: Martin Jost

«Die Geschlechterrolle spielt im Haushalt zwar nach wie vor eine grosse Rolle», sagt Heidi Kronenberg, «aber primär wollten wir nicht diese thematisieren, sondern die Aufgabenteilung im Haushalt.» Anders gesagt, wollten die beiden die Frage beantwortet haben, welche als Untertitel des Buches steht: Wer kocht, putzt, wäscht und tröstet? «Ein anderer möglicher Untertitel », ergänzt Samuel Geiser, «könnte lauten: Die Geschichte, Kultur und Ökonomie des Haushaltes. » Damit will er der Bedeutung der Arbeit im Haushalt, die er als riesigen Wirtschaftsfaktor bezeichnet, das nötige Gewicht verleihen. So begrüssenswert eine Aufgabenteilung auch sei, mit einem Rollentausch von den Frauen zu den Männern sei es nicht getan, denn: «Für die Männer wäre es genau die gleiche Last und Herausforderung. » Die Motivation der beiden zum Verfassen des Buches ging also weit über den Rollentausch innerhalb der vier Wände hinaus. Sie entführen die Leserschaft auf eine Reise in zwölf sehr unterschiedlich geführte Haushalte, lassen die Bewohnenden zu Wort kommen und verleihen dadurch den verschiedensten Formen des Zusammenlebens eine Stimme.

Varianten des Zusammenlebens

Ein bunter Querschnitt ohne Wertung soll es sein, nicht repräsentativ zwar, höchstens beispielgebend für das jeweilige Segment, ergänzt Heidi Kronenberg, und: «Für diese Arbeit gibt es zu wenig Wertschätzung, meist keinen Lohn, auch keine Altersvorsorge. Dieser Thematik wollen wir mit dem Buch mehr Raum geben, denn es ist eine so zentrale und wichtige Arbeit, die täglich rund um den Globus von sehr vielen Menschen geleistet wird und ohne die nichts funktionieren würde.» Die Reise durch schweizerische Haushalte bietet sehr persönliche Einblicke in den Alltag der Bewohnenden; unter anderem werden traditionelle oder gleichgeschlechtliche Familien beleuchtet, ebenso die Situation von Wohngemeinschaften und von Alleinlebenden oder es gibt Einblicke in eine Mehrgenerationengemeinschaft, einen Zwei-Väter-Haushalt oder eine Alters-WG. «Verschiedenste Formen des Zusammenlebens sollen aufgezeigt werden», sagt Samuel Geiser, «mit oder ohne Kinder, aber immer verbunden mit Hausarbeit. » Damit wollen die beiden Denkanstösse kreieren zur Aufwertung der täglichen Hausarbeit, so Heidi Kronenberg: «Dafür trägt die Gesellschaft eine hohe Mitverantwortung. Wir sollten dies nicht einfach den einzelnen Familien überlassen. »

Denkanstösse für Veränderungen

Die Haus- und Familienarbeit, so die Autorin, finde häufig versteckt statt und erscheine in der Öffentlichkeit oft beschönigend, eigentlich gar nicht der Rede wert. Dazu erwähnt Samuel Geiser einen Punkt, auf den im Buch mehrmals eingegangen wird, den sogenannten Mental Load; jene Belastung, die durch unsichtbare Tätigkeiten wie Planung, Organisation und Verantwortung entsteht. Das vorliegende Buch soll keinen Modellcharakter für Wohnformen vermitteln, wichtige Ansatzpunkte hingegen schon. Als Grundlage, sagt Heidi Kronenberg, müssen Wirtschaft, Politik und Wissenschaft den Privathaushalt als insgesamt sehr hohen wirtschaftlichen Faktor akzeptieren und die nötigen Massnahmen vorantreiben. Dazu könne etwa ein Zeitmodell gehören, in dem jeder erwachsene Mensch Zeit hat, um Erwerbsarbeit, soziales Engagement, persönliche Achtsamkeit sowie politisch-kulturelle Tätigkeiten zu vereinbaren. Auch die externe Kinderbetreuung für jedes Kind sollte gewährleistet sein, zudem wäre wünschenswert, wenn künftige Massnahmen der Raumplanung kürzere Wege zwischen Erwerbs- und Privatleben anstreben. Zusammenfassend bringt Heidi Kronenberg die Bedeutung des Haushaltes auf den Punkt mit dem Zitat einer der 19 Fachpersonen, der Ethikerin Ina Praetorius, die sich im Buch zur Thematik äussern: «Die Wirtschaft fängt nicht mit der Kreditkarte an, sondern mit dem Frühstück zu Hause.»


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INFO

Heidi Kronenberg, Samuel Geiser Fotos von Yoshiko Kusano

Küchengespräche
Wer kocht, putzt, wäscht und tröstet? Rotpunktverlag / erhältlich im Buchhandel


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