Kaffeemeile Moserstrasse

Zwischenhalt unter Pausenkünstlern

Die Dichte von Kaffeelokalen ist an der Moserstrasse und um den Breitschplatz auffallend hoch. Wir haben uns einen Morgen lang durch das umfangreiche Angebot getrunken.

Jean-Claude Galli
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Animiert zum Eintreten: Fensterfront mit Logo der Kaffee-Bar «Breitsch». Bilder: jc

Brian Niccol, der neue CEO der Kaffehauskette Starbucks, versprach kürzlich in seiner Antrittsrede, seine Firma wieder zum beliebtesten «Third Place» der westlichen Welt zu machen. Die Idee eines dritten Ortes nebst Zuhause und Arbeitsplatz geht auf den US-Soziologen Ray Oldenburg zurück, der damit in den 1980ern eine Stätte des politischen Austausches verstand. Der heutigen Gesellschaft dienen dritte Orte vor allem als temporäre Zuflucht, wo Freizeit, Genuss und Arbeit eins werden. Notwendig sind nebst Kaffee und unaufgeregter Atmosphäre eine gemütliche Möblierung und ein Platz, um den Laptop abzustellen. Stromanschlüsse und WLAN sind ebenfalls nicht verkehrt.

Ein kleines Mekka für perfekte dritte Orte im Nordquartier ist die Moserstrasse, verstärkt noch seit der Ende 2022 abgeschlossenen Sanierung, die neues Leben in diese Meile brachte. Der Hauptgrund für die dortige Häufung solcher Lokale erschliesst sich spätestens beim Betrachten ihrer Kundschaft. Oft sind es Studenten, Leute aus dem Kreativ- Milieu und weitere mit variablen Arbeitszeiten, von denen es im Breitenrain viele gibt. Hier wohnen auch eher Menschen mit beweglichen und progressiven Familienmodellen.

Papierzeitungen und ein virtuelles Cheminée

Auch wir sind durch unseren Beruf in der privilegierten Lage, von überall aus arbeiten zu können, wenn der Akku voll ist und die Internet-Verbindung steht. Wollen wir schauen, ob das auch an der Moserstrasse klappt. Unsere Tour beginnen wir in der Kaffee-Bar «Breitsch» beim Kino ABC, eröffnet 2023 von Florije Shabani und Besim Dedinja. Wir kennen den Betreiber noch von seiner Ära als Wirt im Clubhaus des FC Breitenrain auf dem «Spitz». Die Möblierung im dezent beleuchteten Lokal gemahnt an ein stilvolles Wohnzimmer, wozu auch das flackernde Kaminfeuer auf dem Wandbildschirm beiträgt. Wir bestellen einen Cappuccino und registrieren mit Freude, dass hier selbst analog funktionierende Leserinnen und Leser noch Tagesneuigkeiten erfahren. Überhaupt sind – dies eine Kernerkenntnis der heutigen Einkehr – Print-Erzeugnisse noch nicht ausgestorben. Nebst Zeitungen ebenfalls überall Standard sind vegane Milchalternativen und eine grundsätzliche Freundlichkeit im Umgang mit den Gästen. «Lass dir Zeit, wir haben sie auch» lautet die stumme Botschaft.

Weiter geht es bei «Ojo de Café» an der Hausnummer 46, einem spannenden Sonderfall in unserer Auflistung. In Kolumbien kamen Debora Knieriemen und Cristian Javier Conci einst auf den guten Kaffee-Geschmack, den sie nun hier mit allen teilen möchten. «Ojo de Café» ist kein eigentliches Café, sondern ein Laden für besonders hochwertige Kaffees, die im Showroom zur Degustation bereit stehen (Do bis Sa, 10 bis 17 Uhr). Zusätzlich ist das Inhaber- Duo mit einem Kaffeevelo an Events präsent und empfiehlt sich für Caterings.

«Ferdinand» lebt weiter

Schräg gegenüber herrscht bei «Noy Bar Caffè» an der Nummer 33 besonders lebhafter Betrieb. Wir treffen einen alten Bekannten an, der uns vom «best coffeehouse in town» schwärmt. Über Superlativen lässt sich zwar streiten. Unsere Bestellungen – Flat White und Latte Macchiato – erklären jedoch den Andrang. Verlockend wäre auch die Auswahl an Bowls und Toasts. Schwach werden wir dann aber erst in der Bäckerei Bohnenblust nach dem Genuss eines Espressos und angesichts des Essensangebots in der grossen Vitrine. Ein Blick auf die Uhr zeigt, dass es schon Mittag ist. Zudem spüren wir mittlerweile, dass Kaffee in der Menge nicht nur bekömmlich sein kann. Ein belegtes Brot und ein Mineralwasser bringen uns schliesslich wieder auf den Damm. Auch hier bleiben die Gäste länger sitzen, jeder frei gewordene Stuhl wird sofort wieder in Beschlag genommen. Als Bäckerei-Alternative bietet sich an der Moserstrasse neu auch der «Ängelibeck» mit einem umfangreichen «Coffee to go»-Angebot an. Weiter geht es für uns bei «Ferdinand Coffee». Die Firma beliefert mit ihren Kaffees seit 2021 Geschäfte, Restaurants, Büros, Fitnesscenter sowie Schulen und unterhält eigene Verkaufsstellen in Zürich, Basel oder Zug. Im März 2023 wurde der erste physische Laden in Bern samt Café an der Rodtmattstrasse eröffnet. Er befindet sich an der Nummer 99 beim Breitschplatz, noch im Dunstkreis der Moserstrasse (wie auch das «Kafi Pfyfouter » an der Stauffacherstrasse). Der namensgebende Kater Ferdinand prangt auf den Tassen. Und im Zeitungsständer liegt das Buch mit Illustrationen von Oskar Weiss und dem unvergesslichen Liedtext von Mani Matter.

Zum Schluss kehren wir zum Anfang der Moserstrasse zurück. Die Café-Bar «Vis-à-vis» öffnet als einziges der erwähnten Lokale «erst» um 14 Uhr, was den Besuch nicht minder reizvoll macht. Eine Runde Studenten gönnt sich hier schon ein Felsenau- «Junker», während wir nach all dem Kaffee einen Chai Latte bestellen. An Schlaf wird heute noch länger nicht zu denken sein.


ADRESSEN

Café-Bar Vis-à-vis, Moserstrasse 6, 031 331 14 84, www.visavisbern.ch

Ängelibeck, Moserstrasse 14, 031 331 10 14, www.aengelibeck.ch

Kaffee-Bar Breitsch, Moserstrasse 22, 078 781 41 60, auf Instagram

Noy Bar Caffè, Moserstrasse 33, 079 332 86 86, www.noybern.ch

Ojo de Café, Moserstrasse 46, 079 528 19 05, www.ojodecafe.ch

Bäckerei Bohnenblust, Moserstrasse 50, 031 333 04 02, www.baeckereibohnenblust.ch

Ferdinand Coffee, Rodtmattstrasse 99, 079 380 30 18, www.ferdinand-coffee.ch

Kafi Pfyfouter, Stauffacherstrasse 11, 031 331 95 05, www.kafipfyfouter.ch 


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Kaffee, Tee und Süsses bei Bohnenblust.
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«Wanddeko» im «Vis-à-vis».
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Innenansicht «Breitsch»-Bar.
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Tasse im «Ferdinand».
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