Neue Festhalle

«Das ist ein Quantensprung»

In drei Monaten wird mit der BEA auch die neue Festhalle eröffnet. Ein Augenschein vor Ort zeigt die neuen Möglichkeiten für Bern im Event-, Konzert- und Kongressbereich. 

Text: Jean-Claude Galli, Bilder: zVg
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Zugegeben, es braucht noch etwas Fantasie. Aber der Enthusiasmus von Bernexpo-CEO Tom Winter ist trotz bissiger Kälte ansteckend. Und die Zukunftsaussichten für die neue Festhalle scheinen in der Tat sehr reizvoll. Dabei hilft an diesem Januar-Nachmittag dank der Sonneneinstrahlung auch die golden schimmernde Fassade des imposanten Gebäudes. Winter empfängt den Anzeiger für das Nordquartier auf der Dachterrasse des gegenüberliegenden Empfangsgebäudes und erklärt von dort aus die Baustelle. Noch rund sechzig Tage dauert es bis zur Schlüsselübergabe vom 31. März. Danach bleibt weniger als ein Monat bis zur BEA-Eröffnung, angefüllt mit Testevents und Vorarbeiten. Winter schwärmt vom 500 Meter langen Laubengang rund um den Komplex, «einer Hommage an Bern und sein Wahrzeichen». Erst zu erahnen sind die Düsen für das bis zu fünf Meter hohe Wasserspiel neben der Baumgruppe vor dem Eingangsbereich. Dort und im Foyer im «Café des Artistes» werden bald schon erste Gäste sitzen.

Eine angemessene Eröffnungsstrategie zu finden, sei nicht einfach gewesen, sagt Winter. «Einerseits gibt es eine Chronologie der Inbetriebnahme für einzelne Zielgruppen wie die GP-Startenden vom 10. Mai oder die ersten Konzertgänger. Nicht nur die Stadt hat über das Bauvorhaben abgestimmt, sondern auch der Kanton. Immerhin 30 – je 15 von der Stadt und vom Kanton – der knapp 110 Millionen kommen von dort. Deshalb wollen wir die Festhalle für alle eröffnen. Und zwar nicht mit mit einer Konzertreihe, bei der wir wiederum nur einzelne Fangemeinden hätten ansprechen können.

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In die Jahre gekommen: Die alte Festhalle hatte Charme, entsprach aber nicht mehr den heutigen Anforderungen.
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Stand Juni 2023: Die alte Festhalle ist «entkernt».
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Lichtspektakel: Die alte Festhalle «in red».

Wir eröffnen die Halle lieber mit unserem Flagship-Event BEA, dann können gleich eine Dr it telmil l ion Menschen dabei sein.» Während der BEA gibt es vom 25. April bis zum 4. Mai im grossen Konzertteil «Stage» zehn Thementage mit Schwerpunkt Genuss und Tradition. Winter verspricht sich eine eigentliche «Festhütte», das Motto der diesjährigen Messe heisst passend «Big Time». «Der Star bei der BEA ist seit jeher die Stadt Bern, sind die Produkte und die Menschen von hier. Dazu kommen neu die imposanten Dimensionen des Saals.» Ebenfalls die ganze BEA über ist das neue Kongressgebäude «Cube» zugänglich. Beeindruckend ist hier nur schon die schweizweit grösste in einer solchen Anlage fix installierte LED-Wand mit 150 Quadratmetern Ausmass.

Mehrere Dutzend Kulturveranstaltungen sind bereits gesetzt. So das Film-Musik-Spektakel «Casino Royale in Concert» vom 7. bis zum 9. Mai, die deutschen Star-Comedians Felix Lobrecht und Mario Barth oder das Doppelkonzert von Krokus und Gotthard am 19. Dezember. «Weitere grosse Namen sind bald spruchreif», so Winter. Der Auftritt von Linkin Park am 20. Juni findet als Open Air auf dem Gelände statt. Die US-Rockband greift aber auch auf die Infrastruktur der Halle zurück.

In einer höheren Liga

Auch im Kongressbereich hat die neue Festhalle jetzt einen ganz anderen Grössen-Hebel. «Wir können nun in einer höheren Liga spielen, was uns freut, aber natürlich auch ein wenig nervös macht.» Winter erwähnt das Sustainable Switzerland Forum, das MUV-Festival mit dem IFSC Boulder World Cup im Juni, den Hospitality Summit oder die World Cheese Awards, die vom 13. bis zum 15. November erstmals überhaupt in der Schweiz stattfinden. «Bisher waren wir firmenbezogen vor allem im KMU-Bereich sehr stark.

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Das waren noch (alte) Festhalle-Zeiten: Die Rolling Stones bei einem ihrer drei Berner Konzerte anno 1973. Bild: zVg (Archiv BERNEXPO)

Nun können wir auch andere Segmente anziehen. Es gibt dafür viele kleine Stellschrauben, an denen wir je nach Auftraggeber drehen werden, punkto Begrüssung, Gastronomie und auch Dresscode. Natürlich müssen wir dabei immer aufpassen, nicht abgehoben zu wirken. Aber wir können jetzt schweizweit vorne mithalten.»

Jüngst sprach Winter in einem SRFBeitrag von einer Million Menschen, die die Bernexpo jährlich in der neuen Festhalle begrüssen möchte. Manuela Angst, CEO von Bern Welcome, sagt dazu: «Die Zahl erscheint realistisch, wenn das volle Potenzial ausgeschöpft werden kann. Die neue Halle wird eine deutlich attraktivere Veranstaltungsstätte sein, die ein breiteres Publikum ansprechen wird als das bisherige Angebot.» Den Neubau erachtet sie grundsätzlich als eine lohnenswerte Investition und spricht von einem «Quantensprung», weil die Halle in technischer Hinsicht völlig neue Massstäbe setze und das bestehende Angebot in der Stadt perfekt ergänze. «Mit der Eröffnung erhält die Destination Bern eine zusätzliche Lokalität, die modernsten Standards entspricht und mit einer topmodernen Infrastruktur punkten kann. Dadurch wird Bern als Kongressstadt noch attraktiver. Durch den Neubau sind künftig grössere Veranstaltungen und Tagungen möglich, welche erheblich zur Wertschöpfung beitragen können.»

Business-Gäste sind entscheidend für Bern

Angst weist darauf hin, dass Business- Gäste mit mehr als zwei Dritteln aller Logiernächte nach wie vor für die meisten Übernachtungen in der Stadt sorgen. «Mit der neuen Festhalle und den daraus resultierenden Möglichkeiten erwarten wir, die Wertschöpfung für die gesamte Destination steigern zu können. Unser Ziel ist es, bestehende und neue Kongressformate in die Stadt zu holen. Der Congress Hub Bern, den wir vor zwei Jahren mit dem Kursaal und der Bernexpo gegründet haben, verfolgt genau dieses Ziel. Und mit der neuen Festhalle können wir dieses nun noch konkreter ins Visier nehmen.»

Dies betont auch Tom Winter. Die Stadt darf und soll sich mit solchen Angeboten vermehrt wieder gegen aussen zeigen. «Grundsätzlich kann Bern jeden Aufwind im innerschweizerischen Vergleich brauchen », sagt Winter. Von einem Angriff auf andere Städte wie Zürich, Basel oder Genf möchte er aber nicht sprechen. «Wir wollen national bedeutende Events direkt hierherbringen und nicht primär aus anderen Städten abziehen. Fakt ist, dass Kongresse mit über 1000 Personen in Bern bisher schlicht nicht möglich waren. Und es gibt viele Firmen und Institutionen in der Region, die bisher zurückhaltend mit Events waren, weil ihnen die geeignete Plattform und Kulisse fehlte.»

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Manuela Angst, CEO von Bern Welcome.
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Das letzte Konzert vor dem Abriss der alten Festhalle.
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Tom Winter, CEO von BERNEXPO.

Zur Konkurrenzsituation sagt Manuela Angst: «Die neue Festhalle ergänzt das bereits bestehende Angebot an Lokalitäten in Bern und ist nicht darauf ausgelegt, direkt mit anderen Städten wie Basel oder Zürich zu konkurrenzieren. Unser Fokus liegt vielmehr darauf, die einzigartigen Vorteile von Bern hervorzuheben – etwa die zentrale Lage, die kurzen Wege, die nahe Natur oder das entschleunigende Lebensgefühl. » Bern habe sich in den letzten zehn Jahren darauf vorbereitet, einen Sprung nach vorne zu machen, sagt Winter. Auch punkto Hotelkapazitäten, mit Renovierungen wie im «Bristol» und dem «Kreuz» oder mit laufenden Investitionen wie im Kursaal. «Wir ergänzen nun gut sichtbar, was schon alles eher nebenbei passiert ist», so Winter.

Wenn der ESC gelandet wäre …

National für Aufsehen sorgte die Bernexpo bereits im letzten Frühling als Teil der Bewerbung von Bern und Biel für das ESC-Finale, das schliesslich an Basel ging. Rückblickend gesehen würde sich Winter noch einmal genau gleich exponieren. Und er sei alles andere als froh, nun nicht die Festhalle-Eröffnung und den ESC gleichzeitig stemmen zu müssen. «Ich möchte mich nicht daran gewöhnen, bei einer Bewerbung zu unterliegen», meint er. «Wir haben letztes Jahr bewiesen, wie man eine BEA ohne Halle machen kann. Und wir hätten nun auch den ESC mit der BEA zusammengebracht. Die Riesenrad-Gondeln hätten dann alle vertretenen Länderflaggen getragen und das Freigelände wäre zur ESC-Partyzone geworden. Sehr viele Synergien wären möglich gewesen, mit denen man wohl mehrere Millionen hätte sparen können. Die neue Festhalle ist ein Mehr-Generationen-Bauwerk und der ESC ein Mehr-Generationen- Phänomen, das hätte gepasst. Aber Hand aufs Herz: Ganz deckungsgleich wären die ESC-Community und das BEA-Publikum nicht gewesen. Und ich möchte mir jetzt gar nicht vorstellen, wie unser sonst schon turbulentes Jahr 2025 mit dem ESC ausgesehen hätte. Ich gönne Basel den Sieg. Aber ich finde es immer noch schade, haben wir den Kürzeren gezogen.» Bei diesen Aussagen ist es auch nicht verwunderlich, wenn Winter sagt: «Risikofreudigkeit ist wichtig. Das ging Bern lange ab. Wir müssen wieder vermehrt mehrere Bälle in die Luft schiessen und damit jonglieren, auch wenn mal einer runterfällt. Wichtig ist einfach immer, den Kopf nicht zu hoch zu tragen. Das kommt nicht nur in Bern schlecht an. Und das Grundverständnis zu behalten, dass wir eigentlich ‹Büezer› sind und hinter die Bühne gehören. Wir sollten jetzt vor allem daran denken, die Halle zu vermarkten und voll zu bekommen. In Zukunft sollen wieder die Events reden, nicht wir.» Beim Gespräch präsentiert Winter auch technische Modelle und Darstellungen, die zeigen, was ihn und sein ganzes Team nebst den Gedanken um die Eröffnung und die Auslastung auch noch umtreibt. «Wir versuchen, möglichst alle Aspekte unserer Geschäftsaktivitäten in unser Betriebsdenken einzubeziehen. So haben wir in den letzten zwei Jahren auch damit begonnen, die Gebäudetechnik genau abzubilden und zu verstehen, wie es exakt mit unserem Energieverbrauch steht und wie wir diese Bilanz noch verbessern können. Wir haben nun jede Pumpe und jeden Regler im Griff.»

«Guter, positiver Lärm»

Winter spricht auch die Vermeidung von Food Waste, die Abfallberge und deren sachgerechte Entsorgung an. «Wir wollen genau durchleuchten und begreifen, was bei all unseren Anlässen passiert. Und wir möchten wissen, wo all die Produkte herkommen, die wir zu ihrer Realisierung brauchen. Bis hin zum Reibkäse auf der Pasta für den Lunch der Gäste.» 70 Prozent der Bestellungen haben gemäss Winter bereits eine «30» in der Postleitzahl der Lieferantenadressen. «Wir werden schauen, ob noch mehr möglich ist.» Ziel sei es, die Transparenz in jedem Bereich zu steigern, um zugänglich und identifizierbar zu bleiben und nicht den Ruf eines Event-Tempels ohne Fundament zu bekommen. «Wenn wir dies richtig begreifen und umsetzen können, dann sind wir am Ende gar nicht so weit entfernt vom Begriff und der Bedeutung ‹Allmend›, auf deren Boden wir ja stehen.» Besonders wichtig ist Winter in diesem Zusammenhang eine Bemerkung zur Verkehrsthematik, die das Nordquartier ja grundsätzlich immer umtreibt. «Ich möchte mich ganz einfach bei den Quartierbewohnern entschuldigen. Diese Baustelle war und ist eine Belastung für alle, auch für uns. Und wir sind froh, dass die Phase nun ein Ende findet. Wir werden hier zwar weiterhin Lärm machen. Das ist bei unserem Geschäftsfeld auch gar nicht zu verhindern. Aber es soll ein guter und positiver Lärm sein.»

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Superlative in der neuen FESTHALLE: Mit 150 Quadratmetern die grösste fix in einem CH-Kongresszentrum installierte LED-Wand.
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Um die neue Festhalle gibt es einen vielfältig nutzbaren Aussenbereich.
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Die Festhalle: Bereit für Events…
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…breitgefächerte Kongresse…
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…und spannende Sportanlässe.
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