Dieser Artikel wurde von der «Berner Zeitung» zur Verfügung gestellt.
Das Tram nach Ostermundigen fährt frühestens 2031
Das vor sieben Jahren beschlossene Tramprojekt darf immer noch nicht gebaut werden. Die Behörden kämpfen sich durch einen Berg von Einsprachen.
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Bis das erste Tram von Bern nach Ostermundigen rollt, werden noch fünf Jahre vergehen. Vielleicht auch sechs Jahre oder mehr. Und das, obwohl das Projekt vom bernischen Stimmvolk bereits im März 2018 grünes Licht erhalten hat, also vor bald sieben Jahren.
Was ist seither passiert? Kurz gesagt: Die Verantwortlichen kämpfen mit der Komplexität des Tramprojekts – und mit hartnäckigen Einsprecherinnen und Einsprechern.
Die Gegnerschaft des Trams Bern-Ostermundigen hatte gegen den kantonalen Kredit das Referendum ergriffen, verlor die Abstimmung aber knapp. Daraufhin führte sie eine Beschwerde gegen die Abstimmung bis vor Bundesgericht, ebenfalls erfolglos.
Damit der Bau beginnen kann, muss das Bundesamt für Verkehr (BAV) die Bewilligung für das Projekt erteilen, die sogenannte Plangenehmigung. Doch vorher wurden die Pläne öffentlich aufgelegt und es gab die Möglichkeit, Einsprache zu erheben, wie bei normalen Bauprojekten.
264 Einsprachen gegen das neue Tram
Es fanden drei verschiedene öffentliche Auflagen statt – und diese zogen insgesamt 264 Einsprachen nach sich, wie das BAV auf Anfrage mitteilt. Die Einsprachen richten sich gegen verschiedenste Elemente der vier Kilometer langen Tramstrecke.
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Die grösste Opposition gibt es gegen das Fällen der Bäume entlang der Viktoriastrasse und der Ostermundigenstrasse. Die Alleen auf Stadtberner Boden sollen wegen des Platzbedarfs der Tramgleise und der Oberleitungen gerodet werden.
Auf der ganzen Linie würden 303 Bäume gefällt – und danach 364 neue Bäume gepflanzt, wie den Plänen auf der Website der Tram Bern-Ostermundigen AG zu entnehmen ist. Wegen den Leitungen dürfen die neuen Bäume jedoch teilweise weniger breit wachsen als die heutigen und stünden an einigen Stellen weniger dicht.
Hinter der Tram Bern-Ostermundigen AG stehen Bernmobil, die Stadt Bern und die Gemeinde Ostermundigen, wobei Bernmobil die Federführung hat. Seit Jahren kämpfen sich Bernmobil und BAV durch den Berg an Einsprachen. Mit geringem Erfolg: Von den 264 Einsprachen wurden inzwischen 80 zurückgezogen. Zudem konnte man sich in 36 Fällen mit den Einsprechenden einigen.
Wohl ein Fall für die Gerichte
Es verbleiben 148 Einsprachen, in denen auch bei letzten Verhandlungen im vergangenen Jahr keine Einigung erzielt werden konnte. BAV-Sprecher Michael Müller betont, dass es sich dabei teilweise um identische Einsprachen handelt. Diese stammen wohl von den Gegnern der Tramlinie und der Baumfällungen.
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Nun muss das Bundesamt über diese Einsprachen und damit auch über die Erteilung der Baubewilligung befinden. Bernmobil teilt mit, man habe alle Unterlagen eingereicht, und zeigt sich zuversichtlich, dass die Baubewilligung «demnächst» erteilt wird. Beim BAV heisst es, man könne noch keinen Zeitpunkt nennen.
Doch auch wenn die Bewilligung vorliegen sollte, ist Bernmobil noch nicht am Ziel. Unterlegene Einsprecher können die Plangenehmigung an das Bundesverwaltungsgericht weiterziehen. Bis zu dessen Entscheid wäre das Projekt weiter blockiert. Erst ein allfälliger Weiterzug ans Bundesgericht hätte keine aufschiebende Wirkung mehr.
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Thomas Schneiter, Präsident des Vereins Arbeitsgruppe Planung Städtebau Mobilität Bern und engagierter Gegner des Tramprojekts, sagt, er wisse von mehreren Einsprechenden, die bereit wären, vor Gericht zu gehen.
Eine solche Beschwerde würde den Zeitplan von Bernmobil weiter durcheinanderbringen: «Die Eröffnung der Tramlinie 2031 ist realistisch, sofern das BAV die Plangenehmigung im 1. Quartal 2025 erteilt und dagegen keine Beschwerden erhoben werden», schreibt Bernmobil-Sprecher Rolf Meyer.
Kritiker möchten Tram durchs Galgenfeld
Der Verein von Kritiker Thomas Schneiter hat Bernmobil und dem Kanton Bern eine alternative Linienführung des Ostermundigen-Trams unterbreitet: Statt wie bisher der 10er-Bus soll das künftige 10er-Tram bis zum Guisanplatz auf der Linie des 9i-Trams fahren. Und dann von dort durch das Zent-Areal und das Galgenfeld und bei der Stadtgrenze wieder auf die geplante Strecke in Richtung Ostermundigen-Rüti einbiegen.
So würden die meisten Bäume verschont. «Es ist verrückt, dass diese historischen Alleen zerstört werden sollen», sagt Vereinsmitglied Urs Dürmüller. «Heute würde man mit Blick auf das Stadtklima anders planen.» Die alternative Linienführung würde dem Kanton und der Stadt Kosten einsparen und zudem könnte so das geplante neue Lindenhofspital auf dem Springgartenareal hinter dem Guisanplatz erschlossen werden.
Doch für solche Überlegungen ist aus Sicht der Behörden das Tram abgefahren. Die Kredite sind gesprochen, Bernmobil und die beiden Gemeinden sind gewillt, das Projekt wie beschlossen durchzuziehen.
Erste Arbeiten haben bereits begonnen
Dazu kommt, dass erste Vorarbeiten für die neue Tramlinie bereits vergangenen Sommer begonnen haben: Unter der künftigen Fahrspur des Trams in Ostermundigen werden unter anderem die Wasser- und Gasleitungen modernisiert und so angepasst, dass darüber Gleise eingebaut werden können.
Zudem haben die SBB dieser Tage die Umbauarbeiten rund um den Bahnhof Ostermundigen gestartet. Auch diese sind auf das künftige Tram angepasst, so soll unter anderem die Eisenbahnunterführung verbreitert werden.
Erstaunlich – und aus Sicht der Steuerzahlenden erfreulich – ist, dass die jahrelange Verzögerung des Ostermundigen-Trams keine Mehrkosten verursachen soll. Bei der Volksabstimmung Anfang 2018 wurden Gesamtkosten von 264 Millionen Franken genannt. Dieser Betrag sei in einer Bandbreite von plus/minus 10 Prozent immer noch aktuell, schreibt Bernmobil-Sprecher Meyer.