Dieser Artikel wurde von der «Berner Zeitung» zur Verfügung gestellt.
Im Springgarten gibt es entweder ein Spital oder Wohnungen, aber nicht beides. Warum?
Rund 1000 Wohnungen hätten im Springgarten gebaut werden können – nun wurde das Potenzial drastisch reduziert. Widerstände und Widersprüche prägen das Projekt.
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Viele Jahre galt es als ausgemacht: Im Berner Springgarten, Bauland der Burgergemeinde, wird mittelfristig gewohnt. Eine Studie identifizierte auf dem Areal zwischen dem Bernexpo-Gelände und dem Rosengarten ein Potenzial von 88’000 Quadratmetern Wohnfläche – gut und gerne rund 1000 Wohnungen. Für Dienstleistungsnutzungen seien weitere 22’000 Quadratmeter möglich, im östlichen Teil habe es entlang der Bolligenallee Platz für einen Park.
Zur grossen Wende kam es im September 2022, als bekannt wurde, dass die private Berner Lindenhofgruppe im Springgarten ihre Spitäler Lindenhof, Engeried und Sonnenhof zentralisieren möchte. In einer Machbarkeitsstudie wollten Lindenhof, Burgergemeinde sowie die Stadt als Planungsbehörde das Projekt vertieft untersuchen.
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Ein Spitalneubau im Springgarten sei möglich, gab der Lindenhof schliesslich im vergangenen Juni bekannt – ohne die Studie öffentlich zu machen, da sich die Stadtregierung noch nicht damit befasst hatte. Ende Dezember teilte dann der Gemeinderat mit, dass die Studie «eine sehr gute Grundlage für die weiteren Diskussionen» liefere. Allerdings werfe sie komplexe Fragen auf, die es weiter zu vertiefen gelte.
Neues Lindenhofspital in Bern-Nord
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Mit dem Positionsbezug der Stadtregierung ist die Studie öffentlich und liegt dieser Redaktion vor. Bemerkenswert ist darin etwa das kategorische Nein zum Wohnungsbau: «Zusätzlich zum Spitalvolumen sind im Springgarten keine Wohnnutzungen möglich.» Dafür gebe es an den im Fall einer Konzentration frei werdenden Standorten Engeried und Sonnenhof «durch Umnutzung und Erweiterung» ein Potenzial für 35’000 Quadratmeter Wohnfläche.
35’000 Quadratmeter an zwei Standorten statt 88’000 Quadratmeter im Springgarten? Angesichts des breiten politischen Konsenses, dass die Stadt viele neue Wohnungen braucht, ein schlechter Tausch, doch stimme diese Rechnung nicht, so die Burgergemeinde. Die ursprünglich vorgesehene Wohnfläche habe sich «im Verlauf des Projekts als unrealistisch erwiesen»; realistisch sei – ohne Spitalbau – eine Wohnfläche von 33’000 Quadratmetern, dazu weiterhin die 22’000 Quadratmeter in Dienstleistungsgebäuden, die eine Wohnüberbauung vor dem Lärm der Mingerstrasse schützen würden.
Öffentliche Nutzung? Ein bisschen
Der Grund für das massiv reduzierte Wohnpotenzial: Dem Springgartenareal komme eine «ausgesprochen wichtige stadträumliche Funktion zu», wie die städtische Denkmalpflege in der Machbarkeitsstudie festhält. Dieser Bedeutung trage auch das Inventar der schützenswerten Ortsbilder der Schweiz (ISOS) Rechnung, das für das Areal ein «hohes Schutzinteresse» stipuliere und dieses zum «Nicht-Baugebiet» erkläre.
Laut der Burgergemeinde gibt es «keine abschliessende Praxis, was in solchen Zonen gebaut werden kann». Die Situation könne erst anhand eines konkreten Projekts beurteilt werden. Gemäss Machbarkeitsstudie steht «aufgrund der umfassenden Interessenabwägung» nur rund ein Drittel des Areals «für eine bauliche Entwicklung im öffentlichen Interesse» zur Verfügung – der Teil am nördlichen Ende, auf dem das Spital gebaut werden soll.
Das bedeutet, dass der grössere Teil des Areals auch künftig vom Nationalen Pferdezentrum genutzt werden könnte – obwohl dessen längerfristige Existenz am bestehenden Standort gerade von der Politik immer wieder hinterfragt wurde. Die jahrzehntelange Partnerschaft zwischen Zentrum und Burgergemeinde solle «so lange wie möglich weitergeführt werden», heisst es in der Studie.
Die im Zusammenhang mit einer Wohnüberbauung und einem Park vorgesehene Öffnung würde sich auf den Spitalgarten südlich des Spitals, einen neuen Fuss- und Veloweg zwischen Spital- und Springgarten sowie einen Fussweg rund um den Springgarten beschränken.
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Obwohl auch bereits ältere Dokumente zum Entwicklungsschwerpunkt Wankdorf erwähnen, dass der Springgarten im ISOS aufgeführt sei und das verträgliche Nutzungsmass einer baulichen Entwicklung in einem qualifizierten Verfahren ermittelt werden müsse, scheinen Burgergemeinde und Stadt diesen Aspekt bis zum Start der Spital-Machbarkeitsstudie ausser Acht gelassen zu haben.
Die Studie habe durch die architekturhistorischen und denkmalpflegerischen Analysen «eine Klärung der Situation gebracht», schreibt die Burgergemeinde. Und die Stadt antwortet auf die Frage, wann sie vom reduzierten Potenzial einer reinen Wohnüberbauung erfahren habe: «Von dieser Erkenntnis hat der Gemeinderat rund um die Machbarkeitsstudie Lindenhof im Springgarten Kenntnis erhalten, also im Frühsommer 2024.»
Geklärt ist die Ausgangslage allerdings immer noch nicht, und dies nicht nur in Bezug auf ein konkretes Projekt: Weil sich die gültige Bauordnung, das Stadtentwicklungskonzept 2016 sowie der Richtplan Entwicklungsschwerpunkt Wankdorf teilweise widersprechen, wie die Burgergemeinde festhält, bestehe ohnehin «ein Spannungsverhältnis zwischen den verschiedenen Planungsinstrumenten».
Autobahn-Umgestaltung unter Druck
Eine weitere Knacknuss im Fall eines Spitalbaus stellt der Verkehr dar. Zwar bestätigten Verkehrsingenieure laut Machbarkeitsstudie die grundsätzliche Machbarkeit des Projekts. Zwingende Voraussetzung dafür sei aber die geplante Umgestaltung des Autobahnanschlusses Wankdorf.
Für diese ist der Bund zuständig, worauf auch der Berner Gemeinderat, der das Infrastrukturprojekt bisher mitträgt, stets hingewiesen hat. Mit dem nationalen Nein zum Autobahnausbau von Ende November verspürte allerdings der lokale Verein Spurwechsel, der das Wankdorf-Projekt mit einer Initiative bekämpft, Aufwind – und verlangte vom Gemeinderat, sich bei Kanton und Bund für dessen Sistierung einzusetzen.
In der Stadt Bern wurde die nationale Autobahn-Vorlage von fast 75 Prozent der Stimmberechtigten abgelehnt – und mit Ursina Anderegg (GB) sowie Melanie Mettler (GLP) wurden am gleichen Tag zwei Spurwechsel-Mitglieder neu in den Gemeinderat gewählt. Kurz: Der Widerstand aus der Stadt gegenüber der Umgestaltung des Anschlusses Wankdorf dürfte in den vergangenen Monaten nicht weniger geworden sein.
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Mit dessen Umbau liesse sich der Mehrverkehr eines Spitalbetriebs laut Studie hingegen abwickeln. Jene, die mit dem Auto anfahren, würden unterirdisch parkieren. Für die Zufahrt müsste bei der «kleinen Mingerstrasse», die zwischen den Gebäuden des Nationalen Pferdezentrums und dem Springgarten durchführt, ein neuer Kreisel gebaut werden. Die Wegfahrt erfolgte über den bestehenden Kreisel an der Kreuzung Minger-/Bolligenstrasse/Pulverweg.
Alternative Tiefenau bereits verworfen
Angesichts der vielen Widersprüche und Abhängigkeiten, aber auch des wahrscheinlichen Widerstands gegen jegliche Bautätigkeit auf der grünen Wiese dürfte derzeit bloss etwas klar sein: Der Springgarten bleibt noch länger unangetastet.
Wieso also nicht anderswo die drei Spitäler zusammenfassen? An einem bestehenden Standort wäre dies höchstens beim Lindenhofspital möglich. Auch dies prüfte die Spitalleitung in einer Machbarkeitsstudie – mit dem Fazit, dass alle Gebäude mit Neubauten ersetzt werden müssten. Allerdings müsste dies «in etlichen Etappen über mehr als 15 Jahre und mit kaum zumutbaren Beeinträchtigungen des laufenden Spitalbetriebs erfolgen». Und es käme «mit Sicherheit wesentlich teurer als ein Neubau auf der ‹grünen Wiese›».
Eine Alternative böte allenfalls noch das Tiefenauspital, das die Insel-Gruppe vor gut einem Jahr aufgegeben hat und in dem nun ein Asylzentrum hochgefahren wird. Insbesondere die Stadtregierung scheint mit dieser Lösung zu liebäugeln, hielt sie doch Ende 2024 in ihrer Mitteilung fest, bei den anstehenden Vertiefungen zur beabsichtigten Spitalkonzentration stehe «die Eignung des Tiefenau-Areals im Fokus».
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Problematisch daran ist, dass es das Tiefenauspital bei der Standortevaluation des Lindenhofs für einen Neubau-Standort mit sechs weiteren Arealen in die engere Auswahl schaffte – am Ende aber der Springgarten als einzige verfügbare Fläche identifiziert wurde, die punkto Lage und Grösse geeignet sei.
Und jetzt, wo in der Tiefenau kein Spital mehr, sondern eine befristete Asylunterkunft betrieben wird? Gegen diesen Standort habe primär die Lage gesprochen, so die Lindenhofgruppe: «Schwierige Zufahrt, archäologisches Schutzgebiet.» Um noch einmal festzuhalten: «Die erneute Analyse des Standorts Tiefenau geschieht auf Wunsch des Gemeinderats der Stadt Bern.»